Die Kunst der Verrückten

Trier · Die Tuchfabrik in Trier zeigt Outside Art. Auch regionale Künstler sind dabei.

 Moderator Gangolf Peitz (links) und Liberto Balaguer von Art-Transmitter stehen vor den Bildern der Trierer „Outside-Art“-Künstler Bernd Jakobs (links) und Patrick Rödig. TV-Foto: Christina Bents

Moderator Gangolf Peitz (links) und Liberto Balaguer von Art-Transmitter stehen vor den Bildern der Trierer „Outside-Art“-Künstler Bernd Jakobs (links) und Patrick Rödig. TV-Foto: Christina Bents

Foto: Christina Bents (chb) ("TV-Upload Bents"

Trier (chb) Gesichter - gemalt, gezeichnet, mit Buntstift, Bleistift oder in Aquarell. Manche sind abstrakt, andere bizarr, wieder andere porträthaft. Die Bilder sind an diesem Abend in der Tufa ausgestellt, in der "Outside Art" - der Kunst der Außenseiter. Veranstalter ist die Selbsthilfegruppe Seelenwort im Rahmen der Wochen der seelischen Gesundheit Trier. "Unter Outside Art versteht man Kunst, die von Autodidakten gemacht ist, die aus gesellschaftlichen Randgruppen kommen, das können Menschen mit körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen sein, aber auch Gefängnisinsassen", erklärt Gangolf Peitz, Leiter des Büros für Kultur- und Sozialarbeit Saar, der durch den Abend führt.
Rund 25 Werke sind zu sehen. Mit dabei sind bekannte internationale Künstler und regionale Größen wie Bernd Jakobs und Patrick Rödig. Mit Flow Art arbeitet Patrick Rödig. Dabei wird flüssige Acylfarbe aus der Flasche systematisch auf die Leinwand gegossen. Der Künstler lässt sie durch Bewegung mit der Leinwand zerfließen und kontrolliert das mit seinen Augen.
Die figürlichen Darstellungen, die so entstehen, sind besonders, denn diese Technik ist eher aus der abstrakten Malerei bekannt. Outside Art sind aber nicht nur Bilder, sondern umfassen das gesamte Spektrum der Kunst. Ein Werk, das Peitz in einer Ausstellung in Paris gesehen und in Trier vorgestellt hat, zeigt ein Gewehr, das zu einem Kunstwerk umgebaut worden ist. Im Bereich des Magazins findet sich eine Mundharmonika, eine Fahrradklingel ist verarbeitet, und mit den drei Rädern, mit denen das Gewehr unterbaut ist, sieht es ein wenig aus wie ein Ufo.
Die Ausstellung in Trier will die Kunst der Verrückten mehr in den Fokus rücken, denn es mangelt in Deutschland, nach Meinung des Kunstprojekts Art-Transmitter, das Arbeiten von Künstlern mit psychiatrischen Erfahrungen vermietet und verkauft, an Akzeptanz. Das bestätigt Peitz. Er berichtet über andere Länder und Städte, in denen der Umgang mit Outside Art viel selbstverständlicher ist, darunter New York, Paris, Basel und teilweise auch in Köln. "In Venedig ist die Kunst vollkommen gleichberechtigt, da sieht man eine Einheit in Vielfalt. Die Einsamkeit, Isolation ist dort mittendrin, in einer befreienden Normalität", berichtet Peitz. Weiter erklärt er: "Die Außenseiterkunst zeigt der herkömmlichen Kunst den Weg."
Dass Außenseiterkunst populär sein kann, zeigt das Beispiel von Den Miller. Er ist 61 Jahre alt, Autist, und wird bei großen Ausstellungen gezeigt. Der Outside-Art-Künstler Jackson Pollack überzeugt mit filigranen Linien und Buchstabenfragmenten. In Paris werden bis zu sechsstellige Beträge für Bilder von Outside-Art-Künstlern gezahlt. Der Sammler Turhan Demirel, der selbst Outside Art besitzt, hat einige seiner Bilder in die Tufa mitgebracht und über die Kunst der Außenseiter berichtet.
Für Deutschland wünscht sich Peitz, dass es Fachzeitschriften und Ausstellungen mit Außenseiterkunst gebe und sie in Schulen und Kunsthochschulen berücksichtigt werden. Ein erster Schritt zu mehr Bekanntheit ist in Trier nun getan, auch mit Unterstützung des Vereins Europäische Gesellschaft zur Förderung von Kunst und Kultur in der Psychiatrie.

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