Die Kunst des Überlebens

Mit den eigenen Liedern tausende Herzen, Köpfe und Beine erreichen, große Alben produzieren, ausgiebig auf Tour gehen: Der TV hat bei Bands nachgehört, die das geschafft haben und die ihre neuen Alben demnächst in der Region präsentieren werden. Aber der alte Rockstar-Traum hat seine Schattenseiten.

 Aus dem Prümer Land in die Herzen der Metropolen: Jupiter Jones spielten zuletzt in ausverkauften Clubs in Hamburg, Köln und Berlin. Die Veröffentlichung des neuen Albums wird aber in der alten Heimat gefeiert – mit einem Gratis-Open-Air auf dem Trierer Viehmarkt (22. Mai). Foto: Katja Kuhl

Aus dem Prümer Land in die Herzen der Metropolen: Jupiter Jones spielten zuletzt in ausverkauften Clubs in Hamburg, Köln und Berlin. Die Veröffentlichung des neuen Albums wird aber in der alten Heimat gefeiert – mit einem Gratis-Open-Air auf dem Trierer Viehmarkt (22. Mai). Foto: Katja Kuhl

Trier/Berlin. Der 19. Mai 2009 sollte ein ganz besonderer Tag werden für Chris Corner. Dann erscheint weltweit "Kingdom of Welcome Addiction", das neue Album seines Elektro-Pop-Projekts IAMX. Drei Jahre nach dem letzten regulären Album. Sollte heißen: Vorfreude bei den Fans, bei vielen seiner 65 000 Freunde auf der "Myspace"-Seite. Erwartungshaltung, Spannung, kollektives Warten auf den Stichtag. "Das ist alles zerstört worden", sagt der 35-jährige Engländer, der morgen mit IAMX in der Rockhal Esch gastiert, im Telefonat mit dem TV. Der Grund ist profan: "Wir hatten ausgewählten Journalisten das Album zur Rezension vorab zur Verfügung gestellt. Einer von denen hat es dann ins Internet gestellt", klagt Corner. Jetzt wird es von Tausenden runtergeladen. Ohne einen Cent zu bezahlen, versteht sich. Corner ist nicht der erste und nicht der letzte Künstler, dem das passiert. Schon vor neun Jahren hatte Metallica die Tauschbörse Napster vor Gericht gezerrt, weil dort jede beliebige Aufnahme der Kalifornier gratis und samt gestrecktem Mittelfinger Richtung Urheberrecht auf die eigene Festplatte gesaugt werden konnte. Das Mitleid mit Metallica hielt sich damals in engen Grenzen: Frau und Kinder im Hause Hetfield mussten trotz Napster nicht darben. Und der vernetzte Jugendzimmer-Rebell sah sich gern als digitalen Robin Hood: Nimm reichlich von den Reichen, zeige dem schnarchigen Geriatrie-Park in der Musikindustrie, wer hier die Signale hört.

"Warum sollte ich Kunst umsonst bekommen?"

 Mehr Respekt vor der Kunst: Chris Corner (IAMX) gastiert in Esch. Foto: Vera Hoffmann

Mehr Respekt vor der Kunst: Chris Corner (IAMX) gastiert in Esch. Foto: Vera Hoffmann



Die Realität klingt heute anders. Hinter Chris Corner, der in den 90ern als Kopf der britischen Trip-Hopper Sneaker Pimps erste Erfolge hatte, steckt keine Musikindustrie und keine Lobby. Er kümmert sich selbst - mit seinem Team - um Vermarktung, Produktion, Fan-Kontakte. Das Runterladen kostet ihn Geld. Aber Corner geht es auch um Respekt und Wertschätzung: "Man sollte sich fragen: Welchen Wert hat Kunst? Um warum sollte ich Kunst, die mir was bedeutet, umsonst bekommen?"

Im Mai erscheint auch das neue Album der erfolgreichsten Rockband aus der Region, Jupiter Jones. Die aus der Eifel stammende Band (Prüm, Üttfeld, Daleiden) setzt ebenfalls auf Eigenregie, auf Unabhängigkeit. Und damit unzertrennbar verbunden auch auf Risiko. "Für das Geld, das wir ins neue Album ,Holiday in Catatonia' gesteckt haben, kann man sich einen bestens ausgestatteten Daimler kaufen", sagt Gitarrist Sascha Eigner. Herausgekommen ist ein vielschichtiges Album voller Herzblut und großer Melodien. Eines, das Punk und Pop umarmt und das in jeder Minute für Überraschungen gut ist. Nun geht es darum, das Minus auszugleichen. "Mit Tonträgern können wir keinen Cent verdienen", sagt Eigner, der mittlerweile in Hamburg lebt. "Ich finde es furchtbar, dass niemand mehr Musik kauft, sondern nur noch runtergeladen wird. Das macht die Musik nach und nach kaputt." Geld verdiene man nur bei Konzerten und durch den Verkauf von Merchandise-Artikeln. Dabei steckt hinter Jupiter Jones eine Erfolgsgeschichte: aus der Provinz in die Herzen der Metropole, mit deutschen Texten, die einen Nerv treffen. Zuletzt stand eine Mini-Tour durch die angesagten Clubs des Landes an: Berlin, Hamburg, Köln - jeweils ausverkauft, mit im Schnitt 350 Zuschauern.

Auch die Trierer Hardpolka-Institution The Shanes hat ein neues Album produziert, eine Deutschland-Tour steht im Mai an. "Es ist bei den Bands nicht anders als sonst in der Gesellschaft", sagt Frontmann Kornelius Flowers: "Die Reichen werden reicher. Und für die Kleinen wird's immer schwieriger. Selbst richtig bekannte Bands können von ihrer Musik allein nicht mehr leben." Bei den Shanes ist das auch kein Thema: Da gehen alle Bandmitglieder hauptberuflich anderen Jobs nach.

Live in der Region:

IAMX, das Projekt von Chris Corner, spielt am 21. April in der Rockhal Esch (Club). The Shanes präsentieren ihr neues Album "Squandering Youth" erstmals am 30. April im Variete Chat Noir (Trier). Am 22. Mai erscheint zudem das neue Album von Jupiter Jones, "Holiday in Catatonia" - am gleichen Abend ist die Band live (und kostenlos!) zu erleben: Beim Open-Air-Auftritt auf dem Trierer Viehmarkt.

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