"Die Kunst schafft mir Luft zum Atmen"

Trier: · Mit einer eindrücklichen Werkschau würdigt die Europäische Kunstakademie ihre Mitbegründerin Waltraud Jammers. Beim Betrachten der umfangreichen Schau kommen Besucher der nicht zuletzt als Kulturpolitikerin hoch engagierten Künstlerin und Ramboux-Preisträgerin ganz nah.

 Waltraud Jammers vor ihrem Gemälde „Mutter mit Kind (Flüchtlinge)“. TV-Foto:Eva-Maria Reuther

Waltraud Jammers vor ihrem Gemälde „Mutter mit Kind (Flüchtlinge)“. TV-Foto:Eva-Maria Reuther

Foto: Eva-Maria Reuther (er) ("TV-Upload Reuther"

Trier: Sie ist eine der verlässlichen Säulen der Trierer Kulturszene. Als Stadträtin und kommunale Kulturpolitikern war Waltraud Jammers über lange Jahre gleichermaßen Antriebskraft wie Mittlerin zwischen Bürgern, Kunstschaffenden und Politik. Auch wenn sie heute kein Mandat mehr innehat - engagiert und mittendrin ist die seit 1975 in Trier lebende weltläufige Frau wie eh und je, wenn es darum geht, Kunst und Kultur Gehör zu verschaffen, ihnen ein Forum zu bieten und Fortschritt zu ermöglichen. Kästchendenken war ihr dabei immer fremd.
Dialog statt Konfrontation


"Man muss doch das Ganze im Auge behalten", sagt die schmale Frau mit der unbändigen Energie und fügt fast preußisch streng hinzu: "Man hat schließlich Verantwortung." Das Ganze, das war für die 1941 in Berlin geborene Wahltriererin das vielfältige Spektrum kultureller Aktivität: die Stadtentwicklung wie der pflegliche Umgang mit dem gebauten Erbe, ihr Engagement als Vorsitzende der Trierer Gesellschaft für Bildende Kunst und ihr nachhaltiger Einsatz für die Gründung der Europäischen Kunstakademie. Trotz ihrer Leidenschaft: Auseinandersetzung als unnachgiebige Konfrontation war Waltraud Jammers Ding nicht. Ihr Weg war der Dialog, die Vermittlung, der sinnvolle Interessenausgleich, die sinnstiftende Verständigung. "Man muss doch miteinander reden, die jeweiligen Wünsche und Bedürfnisse kennenlernen und einen gemeinsamen Weg finden", sagt die Ramboux-Preisträgerin.
Der Weg der Berufung


Wie sehr ihr das kulturelle Geschehen der Stadt, genauso wie die Verhältnisse der Zeit, auf den Nägeln brennen, zeigen eindrucksvoll ihre verstörenden Gemälde vom Ende der 1980er und beginnenden 1990er Jahre. Eine bedrohte stürzende Welt, die an die angstvollen Ausrufezeichen der Expressionisten erinnert, ist ihr "Viehmarktplatz" von damals, ein Bild menschlicher Verlorenheit ihr neuerlich brandaktuelles Flüchtlingsbild. Denn schließlich bleibt Waltraud Jammers - ungeachtet ihres politischen Engagements - stets Künstlerin. Also eine, der die Verbildlichung ihrer Seelenwelt dringlich ist und die in ihren Bildern Innen- und Außenschau veräußert. Das Veräußern ist der Malerin und Grafikerin ganz wichtig: "Die Kunst und die Möglichkeit, mich in ihr auszudrücken, schaffen mir Luft zum Atmen."
Das war schon damals so, als das kleine Mädchen, evakuiert aus dem großstädtischen Bombenkrieg, in Bayern bei den Großeltern die ersten Kunstkinderbücher betrachtete und mit dem Großvater zeichnete. Und später: "Der Kunstunterricht hat mir die Welt erweitert", erinnert sich die Künstlerin. Die Leidenschaft für die Kunst wurde schließlich zum Beruf. Nach dem Abitur studierte Waltraud Jammers an der Münchner Kunstakademie und der Ludwig-Maximilians-Universität, ab 1972 in Tübigen zusätzlich Empirische Kulturwissenschaften. Im Druckgrafischen Zentrum dort entdeckte sie ihre Begeisterung für druckgrafische Techniken und lotete deren Möglichkeiten aus. Ihre Radierungen und Lithografien sind bis heute eindrucksvoller Teil ihrer Ausdrucksvielfalt.
Wer die umfangreiche Ausstellung in der Europäischen Kunstakademie betrachtet, erfährt viel über Wesen und Weltschau der Künstlerin, die mit ihrem verstorbenen Mann nicht nur die Freude an der Kunst, sondern auch Sammelleidenschaft und Mäzenatentum teilte. Ihre grafische Sammlung kommt heute der Lehre der Universität Trier zugute.
Der Mensch im Mittelpunkt


In mehrere Werkgruppen ist die Retrospektive gegliedert, die zentrale Themen der Künstlerin aufgreifen. Der Mensch steht seit jeher im Mittelpunkt der Arbeit von Waltraud Jammers. Ihre Kindergemälde zeugen nicht allein von einem liebevollen Blick, sondern auch von einem tiefempfundenen Bedürfnis nach Wärme und Liebe. Natürlich haben auch die Stadtgeschichte und das antike Trier ihre Wirkung auf das Schaffen der Künstlerin. In ihren Venus-Bildern ist die antike Göttin Bild für ihre Auseinandersetzung mit Weiblichkeit und Frauenbild.
Und schließlich die Landschaftsbilder: Einmal mehr erfährt Waltraud Jammers im Blick über die heimische Mosellandschaft jenes weite Atmen, das sie ansonsten in der Kunst spürt. Wer sich darauf einlässt, kommt in der Halle der Kunstakademie Waltraud Jammers, der die Kunst so existentiell notwendig ist, ganz nah. Notwendig, nicht nur für die eigene Befindlichkeit, sondern als menschliche Lebensbedingung schlechthin.
Die Ausstellung läuft bis 8. Mai; Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 11 bis 17 Uhr.
Weitere Informationen gibt es auf <%LINK auto="true" href="http://www.eka-trier.de" text="www.eka-trier.de" class="more"%> oder unter Telefon 0651/99846-0.

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