Die Luft wird dünn

Ein lauer Sommerabend und ein traumhaftes Ambiente im Innenhof der Abtei Neumünster: "Air", die Könige des französischen Wohlfühl-Pops, hatten beim ausverkauften Auftritt in Luxemburg beste Voraussetzungen für einen grandiosen Abend. Optimal genutzt haben sie diese nicht.

Luxemburg. (AF) Wie kann man gleichzeitig die Vip-Lounge beschallen und die Akademiker-Schlafzimmer belagern? Wie die verhärmte Politesse in der RTL2-Doku-Soap etwas fluffiger erscheinen lassen? Und wie die Freundin zum wilden Knutschen überreden?1998 gab es da eine einfache Antwort, dank des französischen Duos "Air". Ihr Debüt "Moon Safari" bot warmen Elektropop mit Retro-Faible und wechselnden Einsatzorten zwischen Fahrstuhl, Bar und Herz. Sanft wie eine Côte-d'Azur-Brise und zuckersüß wie ein Baiser. Aber jederzeit ohne Sand im Auge und ohne Karies-Keule."Air" sind heute noch stilsicher. Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel betreten komplett in Weiß gekleidet die Bühne, während die sehr gute Background-Band im Hintergrund wartet. Dunckel und Godin übernehmen mit Hilfe von Kopfstimme und Effektpark auch die Gesangsparts, die auf Platte von Frauen eingesungen worden waren. Der Sound ist transparent und angenehm luftig. Die Stimmung freundlich, aber nicht euphorisch. Das Ambiente könnte dabei an diesem lauen Juli-Abend kaum passender sein. Strahler werfen Kreise und Sterne an den Kirchturm und die alten Mauern der früheren Benediktiner-Abtei im Luxemburger "Grund". Alles ist aufgeräumt, alles fließt, wenig überrascht. Für Unordnung in den ersten Reihen sorgen nur zwei schwer angezählte Briten, die "Air" auf Pogo- und Paartanz-Tauglichkeit testen. Was eigentlich nur funktionieren kann, wenn Gehirn und Ohr auf ganz unterschiedlichen Frequenzen senden. Ein bisschen mehr ironische Brechung und mehr Kanten könnten auch "Air" gebrauchen. Das Front-Duo ist statisch, wirkt emotional unbeteiligt. Das mag Konzept sein, kann aber auch schnell abfärben. "Air" umkurvt die Langeweile halbwegs. Die Band verlässt dabei schon nach 50 Minuten die Bühne, ein Zugaben-Block folgt noch, etwa mit "Sexy Boy". Ein kurzer Abend. Vielleicht ist die Angst zu groß, sich zu wiederholen. Ganz unberechtigt wäre sie nicht. Denn für "Air" - man verzeihe das Wortspiel! - wird die Luft langsam dünn: Der Lounge-DJ hat längst andere Lieblinge. Und vor den Akademiker-Betten säuselt höchstens noch der Fernseher.

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