Die Lust und Last der 1889er Pracht

TRIER. Überraschende Funde gehören zum täglichen Geschäft des Rheinischen Landesmuseums. Eine völlig unerwartete Entdeckung machten die Museumsleute kürzlich nicht bei einer archäologischen Grabung, sondern im eigenen Haus: Bei der Öffnung einer Zwischendecke im alten Eingangsbereich kamen Original-Gewölbe und reiche Malerei-Reste des späten 19. Jahrhunderts zum Vorschein. Prädikat: historisch wertvoll.

Wieder einmal lässt Konstantin grüßen. Die umfangreichen Vorbereitungen zur Landesausstellung 2007 über den Römerkaiser in den drei großen Trierer Museen bringt Wissenschaftler und Bau-Spezialisten ins Schwitzen. Auf dem Simeonstiftplatz, wo das Stadtmuseum einen neuen Anbau erhält, kommen serienweise spannende Ausgrabungsfunde zutage (darüber berichtet Grabungsleiter Joachim Hupe übermorgen, Sonntag, 15 Uhr, in einem Vortrag im Landesmuseum). Damit war durchaus zu rechnen. Nicht auf der Rechnung hatten die Landesmuseums-Verantwortlichen den hochkarätigen Fund, den sie ausgerechnet im eigenen Domizil machten. Wegen der und bis zur Konstantin-Schau soll im Altbau an der Weimarer Allee das repräsentative Vestibül von 1889 wieder hergestellt werden und den derzeitigen Eingang des Neubaus an der Kastilport ablösen. Erster Schritt zur Wiederherstellung des alten Raumgefüges: die Entfernung einer Zwischendecke aus den frühen Nachkriegsjahren. "Und dabei traten die völlig in Vergessenheit geratenen originalen Gewölbe mit reichen Resten antikisierender Malerei und Stuckdekoration des späten 19. Jahrhunderts zutage", berichtet Landesmuseums-Kunsthistoriker Peter Seewaldt (52). Eine "sehr angenehme Überraschung" (Seewaldt) mit einer (noch) rätselhaften Vorgeschichte. Vermutlich präsentierte sich der 82 Quadratmeter große, dreischiffige Vier-Stützen-Raum bis zum Zweiten Weltkrieg in alter stilvoller Pracht. Die war nach 1945 offenbar nicht mehr gefragt, obwohl das Vestibül im Gegensatz zu weiten anderen Bereichen des Museumsgebäudes kaum Kriegsschäden davongetragen hatte. Die Zwischendecke dürfte in den frühen 50er-Jahren eingezogen worden sein. Selbst ausgewiesene Spezialisten jenseits der 70 (wie Ex-Museums-Mitarbeiter Adolf Neyses und der frühere Denkmalamts-Chef Helmut Lutz) vermögen sich nicht an das alte Raumbild zu erinnern. "Wir kennen auch leider keine Fotos vom Vestibül", bedauert Museums-Baukoordinator Mario Adams (41). Ebenfalls "verschütt" gegangen scheinen die alten Baupläne; stattdessen liegen vier verschiedene Entwurfspläne von 1885/86 vor. Die umfangreichen Recherchen, die Seewaldt nun auf das Landeshauptarchiv Koblenz und das Rheinische Museumsamt in Pulheim (bei Köln) ausdehnt, brachten immerhin bereits einige interessante Anhaltspunkte. Demnach führte anno 1889 eine Firma Hunzinger aus Köln die Stuckarbeiten aus; für die Maler- und Anstreicher-Arbeiten zeichneten die Firmen L. Grüder (Frankfurt) und H. Thorn (Trier) verantwortlich. Sinn der Recherche: "Wir wollen sicher sein, nichts Wesentliches übersehen zu haben", erklärt Seewald. Denn der Eingangsbereich soll nach Wunsch des Museums als "Herzstück" der fast vollständig zerstörten Identität als Historismus-Baudenkmal originalgetreu wiederhergestellt werden. Der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) hat inzwischen die Wiederherstellung der Raumstruktur zugesagt. Noch offen ist, ob und in welchem Umfang die Wand- und Deckenmalereien sowie Stuckdekorationen restauriert und rekonstruiert werden. Seewaldt: "Hätten wir einen Sponsor, der 100 000 Euro stiften würde, wäre es keine Frage, dass die alte Pracht bis 2007 wiedererstrahlt." Derweil reinigt und konserviert ein Trierer Restaurator den Befund. Unabhängig von weiteren Entscheidungen soll das 1889er Erbe fit gemacht werden, die anstehenden Bauarbeiten im Vorfeld der Konstantin-Ausstellung im Landesmuseums-Altbau unbeschadet zu überstehen.