Die Musikwelt trauert, wieder

Los Angeles · Einen Monat nach dem Tod von Soundgarden-Sänger Chris Cornell stirbt Linkin-Park-Frontmann Chester Bennington. Möglicherweise war der Tod selbst gewählt.

Los Angeles (dpa) Nach dem überraschenden Tod von Linkin-Park-Sänger Chester Bennington ist die Musikwelt geschockt. "Wirklich das eindrucksvollste Talent, das ich jemals live gesehen habe. Stimmenbestie", schrieb R&B-Sängerin Rihanna auf Instagram. "Er und Linkin Park waren die freundlichsten Leute, die du hoffen konntest zu treffen", twitterte Rockmusiker Ryan Adams. Die Band Imagine Dragons trauerte: "Keine Worte. So untröstlich." Der Frontmann der amerikanischen Rock-Band Linkin Park war am Donnerstagmorgen tot in seinem Haus in Los Angeles gefunden worden. Er wurde nur 41 Jahre alt und hinterlässt seine Frau und sechs Kinder. Möglicherweise habe Bennington Suizid begangen, sagte Gerichtssprecher Brian Elias der Deutschen Presse-Agentur. Der Vorfall werde aber noch untersucht.
Der Musiker hatte in der Vergangenheit offen über seine Depressionen und Suchtprobleme gesprochen. In Interviews gab er auch an, als Junge von einem älteren Bekannten sexuell missbraucht worden zu sein. "Depressionen scheren sich nicht um Alter, Rasse, Geschlecht oder Status. Sie diskriminieren nicht. Lasst die, die euch am Herzen liegen, wissen, dass du für sie da bist", twitterte die kanadische Rockband Nickelback.
US-Medien berichten, dass Fans Stunden nach der Todesmeldung Blumen vor dem Haus des Sängers abgelegt haben. Auch Bandkollegen seien vorgefahren. Die Musiker waren den Angaben zufolge am Donnerstag für ein Foto-Shooting in Hollywood verabredet. Sie wollten Ende des Monats auf Tournee gehen und hatten noch am Morgen ein Musikvideo zu ihrem Song "Talking To Myself" veröffentlicht.
Linkin Park wurde Ende der 1990er Jahre durch eine Mischung aus Nu-Metal, Rock, Rap-Klängen und elektronischen Sounds bekannt und gehört zu den erfolgreichsten Rock-Bands der Welt. Ihr Debütalbum "Hybrid Theory" verkaufte sich mehr als elf Millionen Mal. Zu ihren bekanntesten Hits gehören "Numb" und "In the End". In Deutschland traten die Kalifornier zuletzt Ende Juni beim "Southside Festival" in Baden-Württemberg auf. "Chester war einer der nettesten Männer, die ich in meiner Show hatte", schrieb Star-Moderator Jimmy Kimmel auf Twitter. "Man wird ihn schrecklich vermissen." In einer Mitteilung würdigte die Recording Academy, die alljährlich die Grammy-Trophäen verleiht, die Verdienste des zweifachen Grammy-Preisträgers. Er sei ein "Held des Hard Rock" mit einer enormen Stimmbreite und einer starken Bühnenpräsenz gewesen.
Ein Anruf aus dem Haus des Rockers in Palos Verdes Estates sei am Donnerstagmorgen (Ortszeit) bei der Polizei eingegangen, hieß es. "Schockiert und untröstlich", beschrieb Band-Kollege Mike Shinoda in einem Tweet seine Gefühle nach der Todesnachricht.
Soundgarden-Sänger Chris Cornell, ein guter Freund, hatte sich Mitte Mai das Leben genommen. "Ich kann mir keine Welt ohne dich vorstellen", schrieb Bennington damals über den Verlust seines Freundes. Cornell wäre am Donnerstag 53 Jahre alt geworden.Kommentar

Der Tod in Zeiten von Facebook

Von Stefanie Braun

Ich habe nie ein Linkin-Park-Konzert besucht, würde mich nicht als Fan bezeichnen und kenne ihre Lieder wie viele andere nur aus Funk und Fernsehen. Und dennoch tangiert der Tod von Frontmann Chester Bennington mein Leben. Er überflutet es geradezu - zumindest auf den sozialen Kanälen, die ich nutze. Unzählige äußern Betroffenheit, Untröstlichkeit, Schockiertheit darüber, dass schon wieder ein Idol gehen "musste". Genauso viele reagieren mit (gnadenlosem) Unverständnis; warum bringt sich jemand um, der augenscheinlich so viel besaß und noch mehr durch seine Musik zu geben hatte. Einer, der auf der Erfolgswelle schwamm, soll daran gescheitert sein, sich adäquate Hilfe zu suchen im Angesicht von Drogensucht und Depressionen? Für viele passen Erfolg und Dauertraurigkeit nicht zusammen. Da sagen es Nickelback genau richtig: Es ist der Depression eben egal, wer, was oder wie du bist. Sie ist einfach da, hört nicht auf Logik, gute Taten und liebe Worte. Einem schwarzen Loch ist es ja auch egal, welchen brillant strahlenden Stern es verschluckt. Genauso egal ist es Facebook und Co. welche Meinungen es in sich aufnimmt. Anteilnahme kann trösten, Verurteilung verletzen, und im Zweifelsfall sollte man schweigen. Auch online.

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