Die personifizierte Hauptstadt

TRIER. Am Samstag meldet sich Trier zum ersten Mal aktiv in Sachen Kulturhauptstadt zu Wort. Mit dem Konzert der eigens zum Kulturjahr gegründeten Band „Absolu Formation“ wird der Reigen von insgesamt 60 Veranstaltungen und Projekten in der Region eröffnet.

 Wird gemeinsam mit dem Trierer Jazzer Hendrik Wisbar auf der Bühne stehen: Florence Absolu.

Wird gemeinsam mit dem Trierer Jazzer Hendrik Wisbar auf der Bühne stehen: Florence Absolu.

Foto: TV-Foto: Hans-Peter Linz

Es könnte kaum passender sein: Französische Chansons und deutsche Schlager, auf internationalem Niveau verjazzt und von einer Band interpretiert, deren Mitglieder seit Jahren in diversen Formationen zwischen Mosel und Benelux spielen, gesungen von einer Französin aus der Nähe von Orléans, die seit 20 Jahren in Trier lebt. Da steht quasi die personifierte Kulturhauptstadt auf der Bühne.Bei der Probe sonntagmorgens im nüchternen Tufa-Saal sieht die Sache freilich weniger glamourös aus. Es wird geschuftet.

Knifflige Arrangements von "Daisy" Becker

Die zierlichen Notenständer quellen über von meterlangen Notenblättern. Die kniffligen Arrangements von Helmut "Daisy" Becker brauchen Platz. Wie ein Orchester-Dirigent gibt der Maestro mit dem Dauner-Zopf seine Anweisungen: Bei der Triole nicht in Hektik verfallen, mit dem Ritardando etwas früher anfangen, und das Crecendo bei Takt 46 nicht vergessen. Die Sache ist ernst. Da wird nicht einfach drauf los gespielt.

Und auch nicht drauf los gesungen. Florence Absolu steht mit strenger Brille am Mikrofon, in der einen Hand die Thermosflasche, die andere in der Hosentasche versenkt. Da ist so ein verteufeltes, hohes "d", das sie aus der Luft und ohne Anlauf treffen muss, begleitet von einem höchst dissonanten Dreiklang der Bläser. Ein Himmelfahrtskommando, zumindest, wenn man vom harmonischen Chanson her kommt und "Blue notes" nicht gewöhnt ist.

Aber Florence Absolu ist selber schuld, schließlich stammt die Idee zu diesem Projekt von ihr. Chansons von Aznavour, Brel, Piaf, Trenet, Lieder von Konstantin Wecker, Kurt Weill, Peter Kreuder in einem gemeinsamen Programm, gesehen durch die Brille des Jazz - das hat noch keiner riskiert. Seit einem Jahr brütet sie gemeinsam mit "Daisy" Becker über dem Repertoire, fast ebenso lang formiert sich die neue Band.

Die meisten sind in Trier alte Bekannte: Drummer Fredi Noll, die Bläser Nils Thoma und Stefan Weis, der Pianist Benedikt Schweigstill, der Bassist Stefan Zawar-Schlegel. Für die deutschen Lieder ist der Sänger Hendrik Wisbar dazu gestoßen, und aus Kaiserslautern hat man das Nesthäkchen geholt, die 24-jährige Akkordeonistin Susanne Boslé.

Es gab einige Umbesetzungen in den letzten zehn Monaten, aber nun steht die Formation von "Absolu Formation". Und es steht auch das musikalische Profil, das vom puren Um-Arrangieren weit entfernt ist.

Gegen den Strich gebürstet

Titel wie "Ne me quitte pas" und "Je ne regrette rien" hat Becker so gründlich gegen den Strich gebürstet, dass man sie zunächst gar nicht erkennt. Bei leichterer Kost, vor allem den deutschen Schlager-Preziosen aus den 30er Jahren, drückt er dagegen kräftig auf die Swing-Tube. Spannend ist das allemal. Weil das Projekt von der Stadt Trier und der Luxemburger Generalkoordination für die Kulturhauptstadt akzeptiert worden ist, sind sogar Fördermittel geflossen. "Sonst hätten wir diesen Aufwand gar nicht betreiben können", sagt Florence Absolu. Man arbeitet mit professionellen Werbematerialien, es gibt sogar eine eigene Homepage www.absolu-formation.de

Aber das Geld ist für die Vorbereitung draufgegangen, ab der Premiere muss die Band zum Selbstläufer werden. Doch die Hoffnung, im Sog der Kulturhauptstadt reihenweise Auftritte in der Großregion zu ergattern, hat sich bislang nicht erfüllt. Vier Konzerte verzeichnet die Agenda auf der Homepage, zwei davon in der Tufa, eines in Absolus südfranzösischem Heimatort, eines bei den Eifeler Kulturtagen. Luxemburg, Saarland, Ostbelgien? Bislang Fehlanzeige.

Da sei bisher nicht viel Unterstützung gewesen, trotz zahlreicher Eigen-Initiativen. "Vielleicht müssen wir zunächst mit dem Programm an die Öffentlichkeit", vermutet die Sängerin. Mittelfristig hofft sie auf große, internationale Jazz-Festivals.

Aber dafür muss erst einmal der Auftritt stimmen. Ausgerechnet der Chef verbläst gerade nach allen Regeln der Kunst ein Instrumental-Intro. "Gott sei dank macht die Presse keinen Mitschnitt", sagt "Daisy Becker" unter dem Gelächter seiner Kollegen. Bis Samstag wird die Sache sitzen.

Absolu Formation, 3. Februar, 20 Uhr, großer Tufa-Saal.

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