Die schönen Blumen des Bösen

Oberbillig · Ost und West treffen sich derzeit in Oberbillig. Dort werden in der Galerie Contemporanea Werke des renommierten chinesischen Künstlers Xiaofan Ru ausgestellt.

 Dieses „Gewächs” als Lackarbeit hat der Chinese Xiaofan Ru geschaffen. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Dieses „Gewächs” als Lackarbeit hat der Chinese Xiaofan Ru geschaffen. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Oberbillig. Sein Schicksal gleicht dem vieler chinesischer Künstler. Nach dem Studium in Nanking hatte Xiaofan Ru zunächst als klassischer Landschaftsmaler und Kalligraph gearbeitet. Die Verhältnisse in seinem Heimatland sowie die zunehmende Bevormundung von Intellektuellen und Kunstschaffenden veranlassten den 1954 geborenen Künstler dann doch 1983 nach Paris zu emigrieren, wo er ein zweites Studium an der École Nationale Supérieure des Beaux Arts absolvierte.
Erotisch und fantasievoll


Bis heute lebt der Maler und Bildhauer in der französischen Me-tropole, die seit jeher Flucht ort für "Unangepasste" aller Art ist. Inzwischen ist der Chinese, dessen Kunst es längst ins Feuilleton des französischen Qualitätsblattes Le Monde geschafft hat, international gefragt. Xiaofan Rus Arbeiten sind farbenprächtig, fantasievoll, oft erotisch und voller versteckter Kritik. In Oberbillig ist er sozusagen "light" zu sehen.
Im Zentrum stehen Blumenbilder und ihre Symbolik. Das macht die Schau sommerlich angenehm. Dennoch lässt sie nichts an Aussagekraft zu wünschen übrig. Ausgesprochen reizvoll ist die poetische Qualität der Arbeiten, die eine Brücke von traditionellen chinesischen Themen und Techniken zur westlichen Kunst - hier vor allem École de Paris, Surrealismus und Pop Art - schlagen. Letztere empfängt den Besucher gleich draußen mit zwei bizarren exotischen Gewächsen, die wie Kunststoffpflanzen aussehen, aber Lackarbeiten in der Tradition des Fernen Ostens sind. Unnahbare Schönheiten sind die besten der gemalten Blumen in ihren gebrochenen Farben. Geheimnisvoll und lockend stehen sie da mit ihren eleganten Faltungen und ihren seltsamen Auslegern und Ausstülpungen, unmissverständliche Hinweise auf männliche und weibliche Genitalien. Bisweilen werden aus den extravaganten floralen Schönheiten wahrhafte Blumen des Bösen. So wie in der großen, mehrteiligen Arbeit auf der Außenwand der Galerie. "Blumen sind keine Blumen" heißt das Werk, das sich aus Bildern einzelner Blütenstängel zusammensetzt, in deren Mitte als Schriftbild der Titel der Arbeit warnt.
Xiaofan Rus Arbeit bezieht sich auf die "100 Blumen Bewegung" der Regierung Mao Zedongs, bei der die Bevölkerung aufgefordert wurde, sich neue gesellschaftliche Ideen - eben "neue Blumen" auszudenken. Allerdings: Blumen, die nicht systemkonform waren, wurden sogleich "gepflückt": soll heißen, ihre Schöpfer wurden verhaftet oder sofort umgebracht.
Hintersinnigen Humor und zuweilen schrecklich Schönes setzt Xiaofan Ru allgegenwärtiger Bedrohung und Zerstörung entgegen. Wie ahnte schon Dichter Rilke, der übrigens auch fürs Fernöstliche schwärmte und Paris liebte: "Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang." Xiaofan Ru scheint es ebenso zu gehen. er
Bis 19. Juli, Dienstag bis Samstag, 15-19 Uhr und nach Vereinbarung, Telefon: 06501/12297, www.contemporanea.de

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