Schreib-Talente Das sind die Sieger des Literatur-Wettbewerbs von Volksfreund und Dieter-Lintz-Stiftung - Was die Jury sagt

Trier · Eine Erzählung über das schwierige Thema Demenz und ein Text über die Selbstfindung eines jungen Menschen – das sind die Gewinnerbeiträge des 6. Wettbewerbs für Schreib-Talente aus der Region, organisiert vom Volksfreund und der Dieter-Lintz-Stiftung.

Die Sieger des Literatur-Wettbewerbs von Volksfreund und Dieter-Lintz-Stiftung​
Foto: Getty Images/FredFroese

Ist es ein Symptom unserer krisengeschüttelten Zeit? Dieser Hang zur Innerlichkeit, zur Introspektion? Diese Nachdenklichkeit, diese Schwere?

Erzählen. Von sich. Von der Welt. Die Grenzen der Fantasie ausloten und überwinden. Das war die Aufgabe beim 6. Literatur-Wettbewerb, ausgeschrieben vom Trierischen Volksfreund und der Dieter-Lintz-Stiftung. Stell dir vor, du wachst auf und alles ist anders …

Fünfzig Autorinnen und Autoren aus der Region Trier-Eifel-Mosel-Hunsrück haben Wettbewerbsbeiträge eingereicht. Der überwiegende Teil dreht sich um die Frage: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Mutig, spannend, ein Basteln an der eigenen Identität.

Gewinnerin der Kategorie „über 20 Jahre“ ist Bithja Süs (28) aus Trier mit ihrer Erzählung „Walzer“ (Preisgeld: 250 Euro). Das meint die Jury:

Michaela Brohm-Badry: Der Literatur-Kenner Denis Scheck hat sinngemäß gesagt: Gute Texte weisen markante Brüche auf, an denen sich die Leserinnen und Leser „reiben“. Einen solchen Text hat Bithja Süs geschrieben: Die Trennung des alten Paares, hervorgerufen durch die Krankheit der Frau, wird von der Körperlichkeit, die sie beim Tanzen empfinden, aufgehoben, sie entdecken den Kern ihrer Liebe wieder. Das macht: Hoffnung.

Frank P. Meyer: Hart, berührend, genial erzählt, mit treffenden Bildern und der alles überstrahlenden Metapher: Schneewalzer. Immer wenn es zu kitschig wird, setzt die Autorin den Schmerz dagegen. Die Schneeflocken tanzen, der Mann denkt: Die Flocken sind Matsch. Ein glänzendes Stilmittel, diese bewusst eingesetzte Dissonanz.

Andrea May: Der Text ist eine Zumutung für Leserinnen und Leser – im positiven Sinn. Kaum auszuhalten, aber gut.

Rudolf Hahn: Die Geschichte hat mich ergriffen.

Annika Lintz: Es schmerzt, eine solche Geschichte zu lesen, und es ist gut, dass und wie Bithja Süs uns die Augen öffnet für dieses wichtige Thema. Bewegend.

Peter Reinhart: Wenn geliebte Menschen an Demenz erkranken und in ihrer eigenen Welt versinken, ist die Leichtigkeit des Seins dahin. Die Erkrankten leiden, die Angehörigen leiden mit. Das sind zentrale Begriffe der Tragödie seit Aristoteles: Schmerz, Furcht, Leiden, Mitleiden. Bithja Süs schenkt uns ein bisschen Trost.

Gewinner der Kategorie „unter 20 Jahre“ ist Julius Gerlach (17) aus Konz mit „Auf dem Weg ins Kino“ (Preisgeld: 250 Euro). Das meint die Jury:

Michaela Brohm-Badry: Ein hübsches Gedankenexperiment. Der Erzähler trifft sein jüngeres Ich und gelangt zu der Einsicht, es einfach in Ruhe wachsen zu lassen.

Frank P. Meyer: Die Geschichte ist konsequent durchkomponiert. Chapeau!

Andrea May: Die zufällige Begegnung mit sich selbst führt Julius Gerlach zu einem doppelten inneren Monolog, in dessen Verlauf der Protagonist eine wichtige Entscheidung trifft: „Ich will ich sein“ und nicht der, der ich denke, dass ich sein könnte. Die klare Textstruktur und die kleinkörnige Zerreibung der Illusion „wenn ich doch damals alles besser gewusst hätte“ sind überzeugend verbunden.

Rudolf Hahn: Der Autor offenbart eine angesichts seines jungen Alters hohe Reflexionstiefe.

Annika Lintz: Der Text hat ein gutes Konzept und eine starke Botschaft: Lebe dein Leben ohne Vorgaben.

Peter Reinhart: Julius Gerlach schickt seinen Ich-Erzähler ins Kino, spult auf dem Weg den Spielfilm seines Lebens ab. Selbsterkundung, Selbsterkenntnis. Die „grüne Ampel“, mit der er den Text in vier Abschnitte gliedert, signalisiert: Der Weg ist frei, du musst nur losgehen – ins Leben.

 

Bithja Süs und Julius Gerlach werden ihre Erzählungen am Sonntag ab 14 Uhr beim Festival StadtLesen auf dem Domfreihof in Trier vortragen.

Die Jury: Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry, Wissenschaftlerin; Dr. Frank P. Meyer, Schriftsteller; Andrea May, Leiterin der Stadtbücherei Trier; Rudolf Hahn, Bildungsexperte; Annika Lintz, Rechtsreferendarin; Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur.

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