Die Stille Nacht erobert die Welt

1816 dichtete Joseph Mohr das Gedicht "Stille Nacht, heilige Nacht", das zwei Jahre später von Franz-Xaver Gruber eine Melodie erhielt und heute in Weihnachtsgottesdiensten überall auf der Welt gesungen wird.

 Die Glasfenster in der „Stille-Nacht-Kapelle" in Oberndorf zeigen Franz-Xaver Gruber und – hier zu sehen – Joseph Mohr. Foto: Bernd Kregel

Die Glasfenster in der „Stille-Nacht-Kapelle" in Oberndorf zeigen Franz-Xaver Gruber und – hier zu sehen – Joseph Mohr. Foto: Bernd Kregel

Salzburg. (red) "Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht": Ein Lied, das längst seinen Siegeszug in alle Welt angetreten hat und bereits in 380 Sprachen und Dialekten gesungen wird. Im Salzburger Land, so heißt es, sei es zum ersten Mal erklungen. Grund genug für eine Spurensuche nach seinen Ursprüngen entlang den Ufern der Salzach.

Die erste Spur findet sich in Salzburg selbst: in der Steingasse gegenüber der Salzburger Altstadt. Hier steht direkt am Steilabhang des Kapuzinerberges das Geburtshaus von Joseph Mohr, mit dem alles begann. Geboren als unehelicher Sohn einer armen Strickerin, erkannte ein Salzburger Pastor das Talent des jungen Mannes und ermöglichte ihm ein Theologiestudium. Ein Glücksfall in einer durchweg glücklosen Zeit. Denn noch litt das Salzburger Land an der Wucht des napoleonischen Krieges.

Als Vikar verschlug es Mohr zunächst in Richtung Süden auf die andere Seite des Tauernpasses. Hier fand er in Mariapfarr eine Anstellung. Diese zwang ihn selbst im tiefsten Winter zu stundenlangen Märschen auf einsam gelegene Bauernhöfe, um dort in Notfällen das Sterbesakrament zu erteilen. Eine strapazierende Tätigkeit, die seine bereits angeschlagene Gesundheit weiter verschlechterte.

War es nun eine aus der Einsamkeit gewonnene Eingebung oder vielmehr die Jesusdarstellung des "holden Knaben im lockigen Haar" auf dem linken Altarflügel seiner Pfarrkirche? Niemand weiß heute, warum Mohr in dieser leidvollen Situation des Jahres 1816 das Gedicht von der "Stillen Nacht" aus der Feder floss. Ein Text, dessen sechs Strophen sich noch heute als ungeahnt gehaltvoll erweisen, indem sie - völlig neu für die damalige Zeit - Jesus als Bruder für die Völker der Welt vorstellen.

Doch die eigentliche Sternstunde kam erst, als es Mohr 1818 nach Oberndorf verschlug, einer Ortschaft nördlich von Salzburg. Hier begegnete er dem Lehrer Franz-Xaver Gruber, den er noch kurz vor dem Weihnachtsfest bat, eine passende Melodie zu seinem bereits zwei Jahre alten Gedicht zu schreiben. Auch hier müssen die Chronisten passen: War es schon immer Mohrs Absicht gewesen, seinen Text in Liedform zu präsentieren? Oder sollte es ein Weihnachtsgeschenk an die notleidenden Schiffer des Ortes sein, denen die zugefrorene Salzach in diesem Winter das Geschäft verdarb?

Erstmals an diesem Heiligen Abend erreichte das Lied die Ohren der Menschen des Ortes. Nicht während der Messe, da die Liturgie keinen Platz dafür bereithielt. Wohl aber im Anschluss daran, als Mohr und Gruber mit Gitarrenbegleitung die sechs Strophen zweistimmig vortrugen. Doch der Anfang war getan. Vielleicht wäre der große Durchbruch gar nicht erfolgt, hätte nicht wenig später ein Orgelbauer aus Tirol das Lied mitgenommen in seine Heimat, wo es einige Jahre danach neu erklang - und gehört wurde bis nach Leipzig und ins ferne Berlin. Von dort aus erfolgte die neugierige Anfrage in Salzburg, wer denn der Schöpfer dieses Liedes sei. Und so kam die Entstehungsgeschichte schließlich ans Licht.

Der Schauplatz der Uraufführung ist längst Geschichte. Die Kirche in Oberndorf fiel mehreren Überschwemmungen und Feuersbrünsten zum Opfer, so dass schließlich auf einen erneuten Wiederaufbau verzichtet wurde. Auf ihren Trümmern findet sich nun zu ihrem Gedächtnis die kleine "Stille-Nacht-Kapelle", heute bereits eine vielbesuchte Pilgerstätte, die die Erinnerung an jene denkwürdige Heilige Nacht des Jahres 1818 aufrechterhält. Ihre Glasfenster sind geschmückt mit den Abbildungen der beiden ersten Liedinterpreten Gruber und Mohr.

Ein Museum erinnert heute noch an die Künstler

 Die Glasfenster in der „Stille-Nacht-Kapelle" in Oberndorf zeigen Franz-Xaver Gruber und – hier zu sehen – Joseph Mohr. Foto: Bernd Kregel

Die Glasfenster in der „Stille-Nacht-Kapelle" in Oberndorf zeigen Franz-Xaver Gruber und – hier zu sehen – Joseph Mohr. Foto: Bernd Kregel



In Hallein, südlich von Salzburg, fand Gruber schließlich seine letzte Ruhe direkt an der Eingangstür seines Wohnhauses. Es wurde als ein "Stille-Nacht-Museum" hergerichtet und zeigt die Originalgitarre Grubers, auf der Mohr einst in jener denkwürdigen Nacht den zweistimmigen Gesang begleitete. Mohrs Lebensweg hingegen endete in Wagrain, wo ein schmiedeeiserner Kranz auf dem Kirchhof mit Mohrs Porträt in der Mitte an die letzte Wirkungsstätte des Theologen und Dichters erinnert.

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