Die Suche nach dem Paradies

Wer sehnt sich nicht gelegentlich fort aus dem hektischen Alltag in eine friedvolle Idylle. Wem dann nach Natur ist, dem bietet sich als Alternative zum sonntäglichen Ausflug ins Grüne, derzeit "Arkadien" als druckgraphisches Paradies in den Viehmarktthermen in Trier.

 „Bacchus“ (um 1675/80) von Gérard de Laresse in der Arkadien-Ausstellung in den Viehmarktthermen in Trier.TV-Foto: Eva-Maria Reuther

„Bacchus“ (um 1675/80) von Gérard de Laresse in der Arkadien-Ausstellung in den Viehmarktthermen in Trier.TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Trier. (er) "Verweile doch" - die Bitte um Unvergänglichkeit, die der Schau den Namen gab, bleibt in menschlichen Verhältnissen unerfüllt. Das bezeugen augenfällig die römische n Mauerreste um sie herum. Weniger ums Verweilen als ums Entfliehen geht es freilich bei der neuen Ausstellung in den Trierer Viehmarktthermen.

Und zwar in die Schäferidylle jenes "Arkadiens", dem das unwirtliche griechische Berg- und Weideland den Namen gab, und das der spätrömische Dichter; Vergil in seinen Hirtengedichten gegen 40 v. Chr. als wiedergefundenes Paradies des Guten und Schönen verklärte. Vergils Gedichte sind ein Gegenentwurf zur heruntergekommenen römischen Gesellschaft seiner Zeit. Ein neugeborener Knabe wird darin übrigens als Heilsbringer angekündigt. Gut 100 Jahre später wird die christliche Weihnachtsgeschichte vom Kind im Stall bei den Hirten berichten. Das Arkadien des Dichters wurde zum Sinnbild eines friedvollen Ortes, wo Mensch und Natur mit sich im Reinen sind.

Die Trierer Ausstellung, die als Projekt mit Studierenden des Fachs Kunstgeschichte entstanden ist, verdeutlicht die Wirkungsgeschichte der Arkadien-idee - Natur als Gegenpol zur Zivilisation im Spiegel der Druckgraphik. Gezeigt werden Blätter aus der Graphischen Sammlung der Universität aus den Jahren 1490-1830.

Wie die Zeiten und Gesellschaften veränderte sich auch das Arkadien-Bild. Bald war auch das Traumland kein sicherer Ort mehr. "Et in Arcadia ego" (Selbst in Arkadien bin ich) warnt der Tod auf einem Bild des Barockmalers Il Guercino, auf das die Schau Bezug nimmt. Und im Kupferstich des aufgeklärten Daniel Nikolaus Chodowiecki wird die Barockidylle seines Kollegen Dietrich mit Hirtin und Herde als "Viehstück" zur Karikatur.

Das Thema Arkadien erscheine ihm angesichts von Umweltzerstörung und Umweltkatastrophen unbedingt aktuell, betont Projektleiter Stephan Brakensiek. Mehr noch liegt dem Kustos der Graphischen Sammlung der Universität am Herzen: "Wir wollen unsere Sammlung zeigen. Da sie einen Schwerpunkt Landschaft hat, eignet sie sich gut für dieses Thema."

Zuweilen scheint der Bezug zum Thema etwas fragwürdig. Im Gegenzug gibt es dafür sehr schöne Blätter zu entdecken, wie die großartige Radierung "Pan mit Syrinx" von Jan de Bisshop oder die reizvollen Tierstudien von Johan Heinrich Roos und Nicolaes Berchem. Zu sehen sind überdies historische Ausgaben der Hirtengedichte Vergils und seines gut 200 Jahre früheren Kollegen Theokrit, der die Hirten allerdings wesentlich nüchterner sah. Den Anstoß zur neuerlichen Ausstellung gab übrigens ein griechisches Ehepaar, das vergebens im Simeonstift die dort vor Jahren gezeigte Arkadien-Ausstellung suchte. Sehr lohnend: der Katalog.

Bis 31. Oktober, Di- So 8-17 Uhr, www.viehmarktthermen.de

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