"Die Theaterrettung darf nicht auf Kosten der Kreise und Kommunen gehen"

Wie geht es weiter mit dem Theater Trier in Zeiten klammer öffentlicher Kassen? Die Diskussion läuft. Der TV hat zehn Gastautoren gebeten, ihre Ideen und Vorschläge zur Zukunft des Hauses zu notieren. Heute: Joachim Streit.

 Joachim Streit. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Joachim Streit. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

In Kleists "Zerbrochenem Krug" spricht der Dorfrichter Adam zum inspizierenden Gerichtsrat Walter: "Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger, und alles liest, ich weiß, den Pufendorf." Samuel Pufendorf hatte 1667 unter dem Pseudonym Severinus de Monzambano einen fingierten Reisebericht mit dem Titel "De statu imperii Germanici" verfasst und das Reich gekennzeichnet "irregulare aliquod corpus et monstrum simile", also ein unregelmäßiger Körper und einem Ungeheuer gleich.
Die Frage ist dann heute auch nicht nur, wie das Theater Trier finanziert werden kann, sondern: In welcher Verfassung ist unser Staat? Der Staat krankt an seinem Rumpf und seinen Gliedern, er ist ein Monstrum, das sich selbst nicht mehr im Griff hat.
Bevor wir über kulturpolitische Ziele eines Oberzentrums sprechen, müssen wir Rechenschaft ablegen über die Verfasstheit unseres Staates. Es gab, von der Agenda 2010 abgesehen, keine weittragende Neuordnung der wesentlichen Bereiche: keine Neugliederung der Bundesländer, keinen großen Wurf der Föderalismuskommission, keinen geordneten Ausgleich zwischen den Bundesländern, geschweige denn innerhalb von Rheinland-Pfalz. Wir hinken der Zeit hinterher und es wird nicht regiert.
So lange von (Landes-)Regierungen nicht gesagt wird, was geschieht, braucht man uns unten nicht zu fragen, wie wir es organisieren wollen. Die Lösung für die Theaterlandschaft in Rheinland-Pfalz kann nur im Zusammenhang mit der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs geschehen. Solange die Kommunen aber noch weiter Kassenkredite anhäufen, ist ihnen eine normale Aufgabenausübung nicht möglich, weder in der Kultur noch in anderen Bereichen. Man gibt uns nicht die Möglichkeit zu gestalten, sondern nur, das Unmögliche zu verwalten.
Im Rahmen einer Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs hätte das Land für die Oberzentren einen eigenen Kulturansatz zu bilden, wenn man dort die Theater erhalten will. Die Theaterrettung darf aber nicht auf Kosten der Finanzausstattung anderer Glieder des Staates wie den Kreisen und Kommunen gehen, denn jeder hat seinen berechtigten Anteil.
Wir Kommunen hätten uns einen Rettungsschirm gewünscht, wie er auch über dem Süden Europas ausgebreitet wird. Aber die Systemrelevanz der kommunalen Familie scheint nicht in der Navigation des heutigen Regierungshandelns vorhanden.
Kommt dieser Rettungsschirm nicht, wird das Theater sicher nicht so erhalten bleiben, und die Künstler können den Zuschauer nur mit dem Satz begrüßen: Morituri te salutant! - Die Todgeweihten grüßen dich!
Nächster Autor: Sven GrützmacherExtra

Joachim Streit ist seit 2009 Landrat im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Der heute 47-Jährige amtierte zuvor 12 Jahre als Bürgermeister in Bitburg. Der Vater dreier Kinder holte als Vertreter der freien Wähler bei der Direktwahl vor vier Jahren eine Dreiviertelmehrheit. Streit, promovierter Jurist und gebürtiger Eifeler, ist kulturinteressiert - und deutlich häufiger bei Kulturveranstaltungen in Trier zu sehen als mancher seiner Kollegen.DiL

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