Die Toten Hosen werden 30 und feiern auf dem Nürburgring

Nürburgring · Die Toten Hosen haben den schwersten Job bei Rock am Ring. Sie treten am späten Sonntagabend vor ein nach drei Festivaltagen erschöpftes und durchnässtes Publikum und reißen es dennoch ungeheuer intensiv mit. Frontmann Campino zeigt großartige Form und Spielfreude. Ein passender und würdiger Auftritt zum 30. Jahrestag der Kultband.

 Wie immer voller Energie: Campino schreit seine Begeisterung heraus. Zehntausende auf dem Ring feiern mit ihm.

Wie immer voller Energie: Campino schreit seine Begeisterung heraus. Zehntausende auf dem Ring feiern mit ihm.

Foto: Sven Eisenkrämer

Wir werden immer laut durchs Leben zieh'n, jeden Tag in jedem Jahr! Dieses Versprechen gaben die Toten Hosen vor 26 Jahren in "Wort zum Sonntag". Heute steht längst fest: Sie haben es gehalten. Als der Song in der Nacht zum Montag auf dem Nürburgring im Zugabeteil ertönt, bläst die rasende Begeisterung der Fans Regen und Kälte weg.

Kuddel (Andreas von Holst) und Campino (Andreas Frege) haben das Wort zum Sonntag 1986 geschrieben. Damals, im Jahr ihres dritten Studioalbums "Damenwahl", waren die Toten Hosen eine gerade mal vier Jahre alte rotzfreche Punkrock-Band, die viele für eine der letzten Zuckungen der Neuen Deutschen Welle hielten. Was für eine gigantische Fehleinschätzung. Heute sind die jungen Punks von damals auf die 50 zugehende millionenschwere Profis, ihre Band ist längst eines der beliebtesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Musikprojekte.

Eine Basis dieses Erfolgs ist die enorme Präsenz und Spielfreude live auf der Bühne. Was Campino und Co. am späten Sonntagabend präsentieren, schlägt in den Punkten Energie, Gänsehautfaktor und auch Überraschung die anderen Topacts des Festivals klar, vor allem die enttäuschend routiniert und beliebig spielende Legende Metallica, die am Samstagabend dran war. "Wir haben seit zwei Jahren keine großen Konzerte gemacht, und jetzt haben wir Lust zu spielen und zu schreien", ruft Campino dem Publikum zu, und diese simple Ansage reicht schon für erste Ausraster in den Reihen vor der Bühne - dort, wo die Fans seit dem frühen Nachmittag nass und durchgefroren ausharren.

Dann geht es los. 30 Jahre Hosen: Dieser Geburtstag muss gefeiert werden. Der erste Klassiker, "Bonnie und Clyde", kommt schon sehr früh, der Ring wird zur singenden und hüpfenden Gemeinschaft. Lehn deinen Kopf an meine Schulter, es ist schön, ihn da zu spür'n. Und wir spielen Bonnie und Clyde. Natürlich sind die Hosen längst keine Rebellen gegen die Gesellschaft mehr, aber der Tenor "Wir gegen alle" greift immer noch. Auch bei Fans, die im Gründungsjahr der Band noch gar nicht auf der Welt waren.

Die Toten Hosen haben nach vierzehn Studio- und vier Livealben genug Klassiker drauf, um einen kompletten Abend damit zu füllen. "Pushed Again" ruft den Punk von damals raus, "Steh auf (wenn du am Boden bist)" schweißt den Ring wieder zum gemischten Chor. Es ist ein Erlebnis, zu sehen, wie viel Energie das Ringpublikum noch hat. Doch die echten Überraschungen warten im Zugabeteil.

Dieser birgt nicht nur den aktuellen Hit "Tage wie diese" und die ewigen Trinkhymnen "Zehn kleine Jägermeister", "Eisgekühlter Bommerlunder" und "Bis zum bitteren Ende". Kein Hosenkonzert ohne Häme in Richtung der Ärzte, jener anderen Band mit Farin Urlaub und Bela B., die seit Jahrzenten die Lieblingsrivalen der Punks aus Düsseldorf sind. So erleben die Ringfans die Hosen-Version des Ärzte-Klassikers "Schrei nach Liebe" vom aktuellen Album "Die Geister, die wir riefen". Und als würde das noch nicht reichen, ruft Campino Greg Raffin auf die Bühne, den Sänger von Bad Religion, und singt mit ihm "This is just a Punk Rock Song" und "Blitzkrieg Bop". Mehr Punk geht nicht mehr.

Extra



Die Toten Hosen werden 1982 im Ratinger Hof in Düsseldorf gegründet. Vier der Gründungsmitglieder sind bis heute dabei: Andreas Frege, Andreas von Holst, Andreas Meurer und Michael Breitkopf. Sie bringen die Alben "Opel-Gang" (1983), "Unter falscher Flagge" (1984) und "Damenwahl" (1986) heraus, 1987 folgen die Live-LP "Bis zum bitteren Ende" und die Coversammlung "Never mind the Hosen - Here's Die Roten Rosen". Das an Stanley Kubricks Filmklassiker "Uhrwerk Orange" angelehnte Konzeptalbum "Ein kleines bisschen Horrorschau" erreicht 1988 Platz sieben der deutschen Charts und wird ihr Durchbruch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort