Die Welt geht unter - und keinen interessiert's

Trier · Die Apokalypse naht, und alle machen sich die Taschen voll. Wie sehr die Menschen dem Profit und der Macht hinterherhechten und sich dabei von den Medien beeinflussen lassen, beschreibt der Österreicher Jura Soyfer in seinem Stück "Der Weltuntergang", das das Neue Theater Trier in der Tufa zeigt.

 Der Führer (Moritz Rehfeld, rechts) mit Professor Guck (Bastian Welte). TV-Foto: Mechthild Schneiders

Der Führer (Moritz Rehfeld, rechts) mit Professor Guck (Bastian Welte). TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. Wer anders ist, muss weg. Das ist im All nicht anders als auf der Erde. Und weil diese die Sphärenharmonie stört, beschließen Sonne (Lisa Schönthier), Venus (Julia Bell), Mars (David Koppelberg) und Saturn (Christian D. Marx) am Verhandlungstisch eine Radikalkur. Denn Erde ist krank, sie hat Homo sapiens, und die müssen weg. Da kommt der Komet Ison (Sabine Lippert) gerade richtig. Er soll auf die Erde prallen und sie aus ihrer Bahn werfen. Der Name "Ison" ist eine Aktualisierung des Neuen Theaters Trier; so heißt der Komet, der Ende November beobachtet werden kann.
Die nächste Nachricht wartet



Klar, dass die Journalisten als erstes das Gerücht aufschnappen und rasend schnell verbreiten. Jura Soyfer (1912 bis 1939 in Buchenau) lässt in seinem 1936 uraufgeführten - und wenige Wochen später wieder abgesetzten - Stück "Der Weltuntergang" die Stimmen aus dem Off kommen. Moritz Rehfeld hingegen lässt in seiner ersten Inszenierung Alexander Büssing, Bell, Marx und David Ulrich hektisch über die Bühne in der Tufa hetzten und Neues über Krieg, Wirtschaft, Sport, Wetter verkünden. Schnelle abgehackte Sätze, die sie nicht zu Ende sprechen, weil schon die nächste Nachricht wartet.
Dann stürzen sie sich auf Professor Guck (Bastian Welte). Dieser hat den Kometen entdeckt - fassungslos starrt Welte durch sein Fernglas, läuft hin und her. Verzweifelt versucht er, erst der Presse, dann dem Führer (Rehfeld) seine Erfindung zur Kometenabwehr vorzustellen, doch erstere sind nur an der Katastrophe, nicht an der Lösung, letzterer nur an seiner Macht interessiert. Rehfeld spielt die Rolle authentisch: Er rollt das "R", bewegt sich steif, gestikuliert ruckartig und brüllt wie das Original. Die Bevölkerung reagiert mit Ignoranz auf die Nachricht, hält an ihren Gewohnheiten fest. Zwei Damen schwatzen über das passende Kostüm zum Anlass. Lippert und Bell spielen sie affektiert, sprechen in überzeichnetem hellem Ton. Eine alte Frau - herrlich Lipperts zittrige Stimme - spart für die Zeit nach dem Ende. Ob als plappernder Vogel im Käfig, als Mond, Mausi oder Wachmann, immer passt Büssings Stimme, Mimik und Bewegung perfekt zur Rolle. Fast alle Akteure spielen mehrere Charaktere.
Faszinierende Geschwindigkeit


Faszinierend Koppelbergs Umkleidegeschwindigkeit: In einer Szene tritt er als Beamter von vier Ländern auf - jedes Mal im passenden Sakko und mit anderem Akzent. Nur Welte übernimmt eine einzige Rolle, überzeugt als Professor, dessen Erfindung zur Rettung der Welt niemanden interessiert und der daran immer mehr verzweifelt, bis er zerbricht. Fazit: Ein starkes Stück, gut um- und von den elf Laienschauspielern mitreißend in Szene gesetzt. Die 80 Zuschauer in der Tufa belohnen sie mit lautem Applaus. mehi
Weitere Aufführungen: 18. und 19. Juli, 20 Uhr, Tufa.

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