Die Welt im musikalischen Trommelfeuer

Luxemburg · Etwa 1100 Zuhörer bejubelten den genialen Schlagzeuger Martin Grubinger in der Luxemburger Philharmonie. Sein Auftritt als Solist war der absolute Höhepunkt eines Konzerts des Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) unter Leitung der finnischen Dirigentin Susanna Mälkki.

Luxemburg. Hochkonzentriert, den Körper angespannt, steht er da, so als ob er zum Sprung auf das Schlagzeug ansetzt. Krieg herrscht, wenn Martin Grubinger zur Einleitung des Konzerts für Schlagzeug und Orchester von Friedrich Cerha mit aggressiven Schlägen dem bedrohlichen Trommeln des OPL Orchesters antwortet. Einer gegen alle und doch: in Grubingers Trommeln tönt eine ganze Armee. Grubinger muss man gesehen haben. Der 30-jährige Österreicher gilt derzeit als der beste Schlagzeuger weltweit, ein schwindelerregendes Ausnahmetalent des Schlagwerks. Soweit alles klar - aber alles viel zu wenig.
Blicke wie ein Schulbub


Der junge Musiker, der manchmal so erstaunt schauen kann wie ein Schulbub, ist eine geballte Mischung aus feinster Musikalität, technischer Perfektion, Energie und Ausdruckskraft. Grubinger ist Leistungssportler, Ausdruckskünstler und Abenteurer. Versteht sich, dass dazu auch jede Menge Besessenheit gehört.
Unter dem Motto "Austria" spielte er mit dem OPL Werke österreichischer Komponisten aus den Jahren 1904 bis 2008. Die altersweise, dabei leidenschaftliche, dreisätzige Komposition von 2008 des über 80-jährigen österreichischen Komponisten (ein Auftragswerk Grubingers) ist dem "Multipercussionisten" aus Salzburg wie auf den Leib geschrieben. Seine ungeheure Spannkraft, sein geniales Gefühl für Rhythmus und Klangsinnlichkeit, all das lebte der Musiker in der Philharmonie atemberaubend und in selten erlebter Dichte aus.
Grubinger beherrscht - das war in Luxemburg einmal mehr zu erleben - die ganze Farben- und Stimmenvielfalt des Schlagwerks, das Flüstern wie das Schreien, Raserei und tiefste Innerlichkeit, Nachdenklichkeit wie Enthemmung. Wunderbar: der poetische zweite Satz mit den feinen, reinen Klängen des Glockenspiels und der unwirklichen Spährenmusik des Vibraphons.
Mörderischer dritter Satz


Der Kreis schließt sich mit dem dritten Satz, dem schönsten, aber auch mörderischsten des Konzerts. In den rasanten Tonfolgen lebte Grubinger noch einmal mit blitzenden Augen seine ganze Spielfreude, seinen Mutwillen und seine Gestaltungskraft aus.
Das OPL war ihm dabei ein guter Partner. Da bewährte sich, dass die finnische Gastdirigentin Susanna Mälkki Spezialistin für zeitgenössische Musik ist.
Weniger überzeugend hatte das Konzert, das unter dem Motto "Austria" stand, mit Anton Weberns spätromantischer Idylle "Im Sommerwind" begonnen, der ein Gedicht von Bruno Wille zu Grunde liegt. Was als in Klang gewandelte Poesie gedacht ist, geriet zum Teil recht grob. Zudem tat sich das inzwischen sichtlich verjüngte Orchester bisweilen schwer mit dem Zusammenspiel.
Das blieb auch so im "Adagio" von Gustav Mahlers unvollendeter zehnter Sinfonie, dem zudem die Spannkraft fehlte. Dafür machte die OPL-Aufführung unter Mälkkis engagiertem Dirigat verstärkt das Vorläufige der Komposition hörbar. Sehr schön: die Bratschensoli. Wer Lust hatte, konnte sozusagen "after work" im Foyer in "Brein\'s Café" den Abend bei Jazz ausklingen lassen.

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