Die West Side Story des Trierer Theaters

Trier · Das Theater Trier verbringt seinen Spätsommer in einer alten Industriehalle in Trier-West, um dort - wie passend - die West Side Story für großes Publikum zu spielen. Aber hinter dem Standort steckt mehr als ein Notquartier zur Flucht vor feuerpolizeilichen Baumaßnahmen im Stammhaus. Es könnte ein Versuchsballon für die Zukunft des Theaters werden.

 Früher Fabrik, jetzt übergangsweise Theaterschauplatz: Theater-Intendant Gerhard Weber, Technik-Chef Peter Müller, EGP-Manager Jan Eitel und Dramaturg Peter Oppermann (von links) nehmen die Bobinet in Augenschein.Foto: privat

Früher Fabrik, jetzt übergangsweise Theaterschauplatz: Theater-Intendant Gerhard Weber, Technik-Chef Peter Müller, EGP-Manager Jan Eitel und Dramaturg Peter Oppermann (von links) nehmen die Bobinet in Augenschein.Foto: privat

Trier. "Schauen Sie mal, was für eine Spielfläche!" - die Augen von Intendant Gerhard Weber leuchten wie beim Kindergeburtstag, wenn es ans Auspacken der Geschenke geht. Vor seinem geistigen Blick entsteht unverkennbar schon das New Yorker Armenviertel, in dem sich ab Ende August die rivalisierenden Banden von Jets und Sharks zu Leonard Bernsteins elektrisierender Musik bis aufs Messer bekämpfen.

Noch braucht man dafür reichlich Fantasie. Aber die große Bobinet-Halle 8, in der einst Autozubehör produziert wurde, verspricht einen erstaunlich gut nutzbaren Theaterraum.

Theater hat Partner



Viel Auslauf für die Tänzer und Sänger, kaum Säulen, die den Blick behindern, dazu eine malerische Atmosphäre des Verfalls, wie sie nur alte Industrieanlagen ausstrahlen. "Für die Akustik werden wir viel Geld in die Hand nehmen müssen", ahnt Weber, der das Orchester im Nebenraum platzieren will. Und auch die Garderoben für die Künstler müssen nach Lage der Dinge wohl ordentlich aufgepeppt werden. Im Gegenzug kann er bei 23 Vorstellungen à 700 Zuschauer auch mit erklecklichen Einnahmen rechnen - wenn's läuft.

Neues Image für Standort



Alleine könnte das Theater das Projekt gleichwohl nicht stemmen. Als Partner ist die Entwicklungsgesellschaft Petrisberg (EGP) zugestiegen, seit letztem Herbst Eigentümer des riesigen Bobinet-Areals mit insgesamt neun Hallen in verschiedenen Größen. EGP-Chef Jan Eitel denkt freilich weniger an Kultursponsoring als an die vielen Pläne, die er dort realisieren will. Das hochwertige Theater-Gastspiel soll den Standort "mit Image aufladen", glauben doch noch immer viele Trierer, das westliche Moselufer sei eigentlich "die falsche Seite von Trier".

Eitel, ein Mann mit Visionen, glaubt das nicht. Er träumt von schicken Gewerbehallen, trendigen Loft-Wohnungen, Werkräumen, Büros und Ateliers für junge Kreative. Und natürlich, zur Abrundung, Kultur und Gastronomie. Ein neues Viertel zwischen Trier-West und der Mosel. Wie so was erfolgreich funktioniert, hat er auf dem Petrisberg gezeigt.

Da liegt der Gedanke nahe, auch die Zukunft des Theaters mitzudenken. Das soll nach aktuellem Stand für 23 Millionen am alten Standort in der Stadt saniert werden - ohne die Chance einer grundsätzliche Neugestaltung. Die öffentlichen Mittel reichen dafür ohnehin nicht, aber es ist auch kaum vorstellbar, dass ein privater Investor freiwillig so viel Geld in alte Substanz steckt.

Alternativen zum Augustinerhof



Eine neue Spielstätte im Trier her Westen müsste nicht zwangsläufig mehr kosten, böte aber die Chance, das Haus bedarfsgerecht zu gestalten. Zum Beispiel mit einem zweiten, kleineren Theatersaal - laut Intendant Weber ein entscheidender Faktor für bessere Auslastung und die Gewinnung neuer Publikumsschichten. Eines scheint klar: Auf dem ehemaligen Bobinet-Gelände ist dafür kein Platz. Für die West-Side-Story-Halle etwa geben sich bei der EGP Interessenten die Klinke in die Hand, um sie beispielsweise in einen Autosalon zu verwandeln. Aber wenn man das unmittelbar angrenzende Areal des ehemaligen Bahn-Ausbesserungswerks mitdenkt, sieht die Sache schon anders aus. Kulturdezernent Thomas Egger macht schon seit langem keinen Hehl daraus, dass er den Stadtratsbeschluss, unter allen Umständen am Augustinerhof zu bleiben, längst nicht mehr für die Weisheit letzten Schluss hält. Bei der Suche nach potenziellen privaten Partnern fühlt er sich an das enge Korsett nicht unbedingt gebunden. Um sich konkret zu einem möglichen Standort im Westen zu äußern, ist der Liberale freilich zu vorsichtig. Aber er sieht die West-Side-Produktion als gute Gelegenheit, die Akzeptanz zu testen.

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