Die Zeit der Kinderkrankheiten geht zu Ende

Zum ersten Mal sieht es so aus, als könnten die Antikenfestspiele aus ihrem jährlichen Existenzkampf zu einer langfristigen Planung übergehen. Nach zehn Jahren wollen die Verantwortlichen Nägel mit Köpfen machen. Allerdings müssen etliche Grundsatzfragen entschieden werden.

Trier. Seit der Gründung durch Heinz Lukas-Kindermann sind die Festspiele ihre Kinderkrankheiten nicht losgeworden: Erst jeweils am Jahresende wurde das Budget fürs Folgejahr bewilligt, viel zu spät für eine langfristige Planung und ein effizientes Marketing. Das ambitionierte Festspiel-Projekt lebte von der Hand in den Mund, musste sich mit einer chronischen Unterfinanzierung herumschlagen. Als Kindermann ging, wurde eine gründliche Diskussion über Konzept und Strukturen versäumt.

Das will die Stadt Trier nun nachholen. Der Kulturausschuss hat das zuständige Dezernat beauftragt, Vorschläge auf den Tisch zu legen, die nun mit großer Spannung erwartet werden. Denn es sind eine Reihe von Richtungs-Entscheidungen zu treffen. Und so sehen die jeweiligen Alternativen aus:

1. Das Konzept

- Es bleibt bei der rigorosen Linie, nur antike Stoffe in antiken Stätten zu spielen.

-Das Themenspektrum wird behutsam erweitert, aber mit einer inhaltlichen Anknüpfung an die antiken Stätten, etwa durch das Raumkonzept.

-Künftig wird gespielt, was Publikum anlockt.

Es zeichnet sich ab, dass hier der Mittelweg gewählt wird: nicht nur klassische Antike, aber auch keine profillose Beliebigkeit. Und das künstlerisch gestaltete Raum-Erlebnis als zentrale Attraktion.

2. Das Zielpublikum

-Die Festspiele werden zum preiswerten Sommer-Abstecher des Theaters für ein überwiegend lokales Publikum.

-Gezielt werden Zuschauer im Umkreis von 250 Kilometern angesprochen.

- Die Festspiele werden bundes- und weltweit platziert.

Nach den ersten Ergebnissen der Konstantin-Studie könnte der Schwerpunkt verstärkt in der 250-Kilometer-Zone liegen. Ein Lokal-Festival hätte touristisch keinen Sinn, einer Konkurrenz mit dem ganz großen Markt sind die Festspiele (noch) nicht gewachsen.

3. Das Angebot

- Die Festspiele lassen die teuren Opern sein und machen profiliertes Schauspiel.

-Man beschränkt sich auf eine aufwendige Opern-Produktion und streicht den Rest.

-Es wird eine "massenkompatible" Musiktheater-Produktion mit Schauspiel oder Experimentellem kombiniert.

Die Oper war immer das Flaggschiff der Festspiele, und das Publikum will es so. Will man aber künstlerische Anerkennung, muss auch Spielraum für Unkonventionelles bleiben.

4. Das Profil

-Es werden namhafte Stars und große Orchester als Aushängeschilder eingekauft.

-Man bestreitet das Programm preisgünstig mit dem hauseigenen Ensemble.

- Für wichtige Rollen werden vielversprechende, junge Künstler gesucht.

Stars wären schön, aber Trier kann keine Publikumsmagneten bezahlen. Heimische Gewächse allein reichen trotz hoher Qualität nicht aus, wenn man Festspiel-Charakter will.

5. Die Trägerschaft

-Das Theater und damit die Stadt Trier bleiben Träger.

-Eine kommunal gesteuerte GmbH steigt ein, der Theater-Intendant übernimmt im Auftrag die künstlerische Leitung.

-Ein externer, privatwirtschaftlicher Veranstalter übernimmt die Ausrichtung.

Derzeit sieht es so aus, als wolle die Stadt definitiv alleiniger Träger bleiben. Die dauerhafte finanzielle Beteiligung von anderen Gebietskörperschaften, Unternehmen oder Verbänden dürfte dann aber schwierig werden.

6. Das Marketing

-Werbung und Vermarktung werden weiterhin vom Theater "nebenher" übernommen.

-Eine professionelle externe Agentur übernimmt den Job.

-Die Träger der Kultur-Angebote in den antiken Stätten vermarkten sich gemeinsam.

Bislang kämpfte jeder für sich allein, die Vermarktung der Festspiele liegt brach. Nun liegt ein Kooperations-Vorschlag der Medienfabrik ("Brot und Spiele") auf dem Tisch.

7. Der Spielort

-Das Amphitheater bleibt Haupt-Spielstätte.

-Man wechselt in die kostengünstigeren Kaiserthermen.

-Es wird parallel bespielt, etwa Schauspiel in den Thermen, Oper im Amphitheater.

Derzeit sicher die kniffligste Frage. Der jährliche Standort-Wechsel hat das Publikum früher vertrieben und kommt nicht mehr ernsthaft infrage. Das Amphitheater ist der größere Magnet, kann aber aufgrund seiner Lage in einem Wohngebiet nur eingeschränkt bespielt werden. Notwendige Investitionen wären dort mit einem hohen Risiko behaftet. In die Kaiserthermen könnte man nur wechseln, wenn das Fassungsvermögen dramatisch erhöht wird, etwa durch eine Groß-Tribüne auf der Palaestra. Ideal, aber recht teuer wären zwei Spielstätten.

Meinung

Gute Feen kommen nicht oft

Gut, dass die Sparkasse Trier Verantwortung für ein wichtiges Aushängeschild der Region übernommen hat. Und bei dem bekannt sorgsamen Umgang des Geldinstituts mit der Kulturszene vor Ort muss man sicher keine Angst haben, dass die Festspiel-Mittel bei kleineren, weniger schlagzeilenträchtigen Kulturmachern weggespart werden. Das Engagement schafft Luft für die laufenden Überlegungen zur Zukunft des Festivals. Denn eines ist klar: Nicht jedes Jahr kommt eine gute Fee und lässt Sterntaler regnen. Sponsoren wollen überzeugt, Unterstützer begeistert werden. Dafür muss erst ein rundum durchdachtes Konzept auf den Tisch. Und genauso plastisch und überzeugend muss das Produkt sein, mit dem Trier auf den heftig umkämpften Festival-Markt geht. Intendant Weber hat genug Ideen, aber noch fehlt die Leuchtkraft. Bei der Stadt Trier müssen noch Hausaufgaben gemacht werden. In Sachen Marketing gehören die Akteure der antiken Stätten längst an einen Tisch. Und Wirtschaft samt IRT in einer zweiten Runde dazu. Aber bitte nicht für eine weitere Laber-Konferenz, sondern auf der Basis zielorientierter Handlungsvorschläge. Was die Spielstätte angeht, müssen zügig Machbarkeits- und Kosten-Analysen für Amphitheater und Kaiserthermen auf den Tisch. Der zuständige Ausschuss hat das Kulturdezernat in den Schwitzkasten genommen. Er sollte es nicht mehr rauslassen, bevor es Ergebnisse präsentiert. d.lintz@volksfreund.de

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