Diskussion mit Tönen

WITTLICH. Schon zum zweiten Mal hatte der Musikkreis Wittlich das Trio Fontenay in die Synagoge eingeladen und kredenzte den Kammermusikfreunden einen Abend, wie man ihn nicht häufig erleben kann.

Wenn die Süddeutsche Zeitungsich bei einem Kammerkonzert mit einem Klaviertrio dazu hinreißen lässt, die Rezension mir "Drei Göttersöhne" zu betiteln, so weist das eigentlich auf eine gewisse Sprachlosigkeit des Rezensenten hin. Auslöser dieser Sprachlosigkeit war im Jahre 1997 das Trio Fontenay mit seinem Konzert im Münchener Herkulessaal. Schon zum zweiten Mal hatten die Musikfreunde in Wittlich nun das Vergnügen, den Grund dieser Sprachlosigkeit nachzuvollziehen. Was der Pianist Wolf Harden zusammen mit Michael Mücke (Violine) und dem Cellisten Jens Peter Maintz auf der Bühne zelebrierte, lässt sich in der Tat nur sehr schwer in Worte fassen. Egal ob Beethoven, Debussy oder Schubert: Fontenay baute eine Spannung auf, die man meinte, mit den Händen greifen zu können. Sie legten innerste Strukturen frei, machten das Gewebe sichtbar, das dem Klangerleben zu Grunde liegt. Das Ensemble diskutierte die Themen der Komponisten neu, ausgiebig und jeder aus seinem Blickwinkel, setzte Akzente, beleuchtete Feinheiten. Drei Individuen setzten sich mit Beethovens Visionen auseinander, mit denen er sich in seinem Es-Dur Trio Opus 1/1 von überkommenen Traditionen eines Joseph Haydn distanziert, spürten den Gedankengängen Schuberts in seinem ebenfalls in Es-Dur verfassten Trio, D 929, nach und legten die wutschnaubende Genialität des Werkes und seines Schöpfers offen. Bei Debussys G-Dur Trio erforschten sie den suchenden Komponisten, der seinen Weg zwar schon ahnt, sich aber von seinen weisenden Begleitern César Franck und Robert Schumann noch nicht lösen kann. Eine solche Auseinandersetzung mit den Kompositionen birgt natürlich die immens große Gefahr, dass die Diskussion auf der Bühne akademisch wird und über die Köpfe des Publikums hinweg geht. Hier aber liegt ein ganz besonderer Verdienst der drei Musiker. Sie waren nicht nur, trotz ihrer zweifellos großen Routine, konzentriert und höchst engagiert bei der Sache, sie ließen ihre Zuhörer auch an ihren Argumentationen teilhaben, erläuterten durch ihr Spiel, warum eine Passage so und nicht anders klingen kann. Sieht man einmal von Debussys relativ unbekanntem Werk ab, gehörte das Programm in der Wittlicher Synagoge eher zum Standardrepertoire. Da kann man in der Tat schon sprachlos werden, wenn man hinterher das Gefühl hat, Neues, bisher Ungehörtes, erlebt zu haben. Den jubelnden Applaus hatte sich das Trio aber auch durch seine unglaubliche Technik verdient. Auch hier war jeder Musiker ein Individualist. Mückes Crescendi hatten eine atemberaubende Bandbreite, Maintz' Tongebung würde jedem Opernsänger zu Ehre gereichen, und Harden konnte mit einer formidablen Technik aufwarten. no/sas

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