Interview mit Regisseur Jean-Claude Berutti Doppelpremiere im Trierer Theater – Über die Unmöglichkeit echter Liebe

Trier · Ein Gespräch mit dem Theaterregisseur zur Purcell/Poulenc-Doppelpremiere im Trierer Theater am Samstag, 18. Mai.

 Das Bühnenbild für das Stück „Dido and Aeneas“ von Bühnenbildner Rudy Sabounghi.

Das Bühnenbild für das Stück „Dido and Aeneas“ von Bühnenbildner Rudy Sabounghi.

Foto: Theater Trier

Revolutionär ist das Projekt nicht gerade, aber doch weit mehr als nur theatralischer Alltag. Mit Henry Purcells „Dido and Aeneas“ und Francis Poulencs „La Voix humaine“ erscheinen zwei Einakter an einem Abend auf der Trierer Bühne. Dem Anschein nach haben sie nichts miteinander zu tun. Aber es gibt doch einige Gleichklänge bei diesen Werken, die nur historisch weit auseinanderliegen. TV-Mitarbeiter Martin Möller hat mit Regisseur Jean-Claude Berutti über die Musik und seine Inszenierung gesprochen.

Zwei Einakter an einem Abend sind so ungewöhnlich nicht. Aber was verbindet denn Poulenc und Purcell? Was haben sie miteinander zu tun?

BERUTTI Sie haben sehr viel miteinander zu tun. Sie haben die gleiche Thematik. Es sind zwei Geschichten um ein Thema: verbotene Liebe ...

… die Unmöglichkeit von Liebe …

BERUTTI … die Unmöglichkeit von Liebe, weil sie verboten ist. Darf ich das näher erklären? Bei Poulenc geht es um einen sozialen Status. Die Frau am Telefon hat nicht denselben Status wie ihr Gesprächspartner.

Sie ruft gewissermaßen ihren Chef an?

BERUTTI Nicht ihren Chef, aber eine Person aus einem ganz anderen Milieu, aus der großen Pariser Bourgeoisie – wahrscheinlich jemand, der schon früh verlobt ist und vor Jahren einer anderen Frau versprochen wurde – aus derselben Schicht jedenfalls. Die Dame am Telefon kommt aber aus einer ganz anderen sozialen Umgebung. Ein Liebesverhältnis ist da fast unmöglich.

Und bei Purcell?

BERUTTI Das Thema der verbotenen Liebe ist dasselbe, aber „Dido und Aeneas“ ist eine klassische Tragödie. Aeneas liebt Dido, aber die hat versprochen, sich seit dem Tod ihres Ehemanns mit niemand anderem zu verbinden. Aeneas dagegen hat versprochen, Rom zu gründen. Sie wollen zueinander, aber sie dürfen nicht zueinander.

Verbinden Sie in Ihrer Inszenierung die beiden Geschichten miteinander, oder stellen Sie die zwei Theaterstücke einfach nebeneinander?

BERUTTI Ich stelle sie nebeneinander. Das genügt. Jedes Stück steht für sich. Aber es gibt noch eine zweite Verbindung zwischen den Stücken – eine stilistische. Poulenc nennt sein Werk ganz klar „Tragédie Lyrique“. Das ist keine „lyrische Tragödie“. Es ist das, was Jean-Baptiste Lully im 17. Jahrhundert begründet hat, eine ganz besondere Art des Theaters mit Sprechdialog, Arie und Rezitativ. Lully hat damit die Dramatik von Jean Racine, dem Klassiker des französischen Schauspiels, auf die Musikbühne übertragen. Die „Voix humaine“ ist vielleicht die letzte französische „Tragédie Lyrique“. Der Text ist auf der einen Seite sehr alltäglich, und andererseits hat Autor Jean Cocteau ihn fast schon durchkomponiert, als wäre er Musik. Purcell wiederum hat „Dido“ für Charles II. geschrieben, der in Versailles erzogen wurde. Und als der als englischer König nach London kam, wollte er auf der Bühne den vertrauten französischen Stil erleben. Der Stil der „Tragédie Lyrique“ findet sich also auch bei Purcell.

Wie drückt sich das denn in den Bühnenbildern aus? Sind sie historisierend, sind sie sehr modern?

BERUTTI Die Bilder sind ganz, ganz unterschiedlich. Wir beginnen mit „Dido“, und da haben wir versucht, eine Oper im Miniaturformat zu machen. Es gibt wenig Aktion, dafür aber viele gute Bilder. Es gibt Tanz, es gibt Chor – es sind einfach alle Elemente einer großen Oper da, aber in einer konzentrierten, essentiellen Gestalt. Nach der Pause machen wir bei Poulenc ein bisschen Experiment. Es gibt fast kein Bühnenbild mehr, es gibt eine leere Bühne – nur mit einigen Elementen, das möchte ich heute noch nicht verraten. Aber ein Teil des Publikums kommt auf die Bühne und spielt mit. Poulenc und Purcell sind nicht einfach, aber wir wollen versuchen, das Trierer Ensemble ein wenig weiterzubringen, über den heutigen Stand hinaus.

Noch eine Frage. Theater ist ja wie ein Kosmos, riesengroß und von ungeheurer Vielfalt – Tragödie, Komödie, Oper, Operette, Zeitstück, Propagandawerk. Wohin gehören denn die beiden Einakter?

BERUTTI (lacht) Es sind einfach ganz tolle Stücke, wirkliche Meisterwerke. Und der historische Rahmen ist riesengroß. „Dido“ steht fast am Anfang der klassischen Operngeschichte und Poulencs „Voix humaine“ fast schon am Ende.

 Die Kulisse für „La Voix humaine“ von Bühnenbildner Rudy Sabounghi.

Die Kulisse für „La Voix humaine“ von Bühnenbildner Rudy Sabounghi.

Foto: Theater Trier

Musikalische Leitung: Generalmusikdirektor Jochem Hochstenbach, Inszenierung: Jean-Claude Berutti, Choreographie: Roberto Scafati, Bühnenbild: Rudy Saboun­ghi, Kostüme: Katharina Heistinger.
Mit Réka Kristóf (Stimme bei Poulenc), Janja Vuletic (Dido), Derek Rue (Aeneas), Eva Maria Amann (Belinda), Matthias Bein (Zauberin). Fritz Spengler (Hexe), Blaise Rantoanina (Seemann/Geist). Es spielt das Philharmonische Orchester Trier.
Premiere: Samstag, 18. Mai, um 19.30 Uhr

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