Dornröschen tanzt aus der Reihe

Trier · Morgen wartet auf das Trierer Publikum wieder mal ein spannender Theaterabend. Das Ballett-Schmankerl "Dornröschen" feiert Premiere - in der Version des Gießener Choreographen und Tanztheater-Chefs Tarek Assam. Eine schwierige Geburt, wie es scheint.

 Das Tanztheater stellt manches auf den Kopf: Szene aus den Proben zur Neuproduktion von Tschaikowskys „Dornröschen“. TV-Foto: Friedemann Vetter

Das Tanztheater stellt manches auf den Kopf: Szene aus den Proben zur Neuproduktion von Tschaikowskys „Dornröschen“. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Seit sich die Tanzsparte des Trierer Theaters unter ihrem Direktor Sven Grützmacher vom klassischen Ballett zum modernen Tanztheater entwickelt hat, gehören zeitgenössische Interpretationen bekannter Repertoire-Stücke zum regelmäßigen Angebot.
Ob "Giselle" mit halbstarken Jungs in protzigen Autos oder "Schwanen.See" als psychoanalytische Befreiungsgeschichte: Es waren neue Bilder, an die sich das Publikum gewöhnen musste - oder durfte, je nach Blickwinkel. Ovationen bei den Premieren, zwischen 4000 und 5000 Besucher pro Produktion: Die Trierer scheinen den Mix von klassischer Vorlage und aktuellem Tanztheater zu goutieren.
Und nun Tschaikowskys romantisches "Dornröschen". Man ahnt, dass es auch diesmal nichts werden wird mit Plissee und Tutu. Im Programm steht: "Ein Tanzstück von Tarek Assam nach Tschaikowsky". Das lässt viel Freiraum für die Gestaltung.
Vielleicht zu viel. Schon seit Wochen drang aus den Probenarbeiten die Kunde, es handele sich um eine "sehr frei assoziierende Interpretation". Dornröschens Spindel-Stich als Rauschgift-Anfixen durch einen teuflischen Dealer, der Wald als Entzugsklinik: Da türmten sich die Gerüchte. Am Dienstag entschied Intendant Gerhard Weber, die Schlussproben seinem Tanztheater-Direktor Grützmacher zu übertragen. Der werkelt nun bis zur letzten Sekunde an dem, was Chefdramaturg Peter Oppermann "Korrekturen" und "Verbesserung der dramaturgischen Verständlichkeit" nennt.
Da liegt die Mutmaßung nahe, die Inszenierung solle - gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Theaterdiskussion - geglättet und publikumskompatibler gemacht werden. "Darum geht es überhaupt nicht", versichert Oppermann. Assam sei auch nicht aus der Produktion ausgestiegen, er firmiere weiterhin als Choreograph des Stücks. Aber für die Abschlussarbeiten sei ein "neutralerer Blick" sinnvoll.
Etwas verwunderlich ist das alles schon. Wie ein Regie-Berserker wirkt Assam bei den Proben nicht. Er spricht leise, aber eindringlich. Der 49-Jährige war selbst aktiver Tänzer, auch wenn man es ihm heute nicht mehr auf den ersten Blick ansieht. Seit zehn Jahren arbeitet er als Tanzdirektor in Gießen - auch nicht gerade eine Metropole des Zeitgeistes. Dennoch hat er mit seinem exponiert modernen Tanztheater den Spagat zwischen Anerkennung in der überregionalen Fachwelt und Erfolg beim einheimischen Publikum geschafft.
In Trier soll auch die Musik ein Stein des Anstoßes gewesen sein. Was da über die Bühne fegt, ist nicht nur der Live-Tschaikowsky aus dem Orchestergraben. Da wird auch schon mal gerappt, oder der Soundtrack zu Hitchcocks "Psycho" wabert unheilschwanger durch den Saal.
An der Musikauswahl wird sich laut Oppermann nichts ändern. Man will jeden Eindruck vermeiden, Assams Arbeit solle zensiert werden. Das wäre wohl auch nicht im Sinn der Akteure: "Ich fühle mich in der Rolle sehr wohl, man kann sagen, dass die Aurora auch ein Stück von mir selbst ist", betont Christin Braband, die die Titelpartie tanzt. Sie sieht Dornröschen als eine Jugendliche zwischen Rebellion und Anpassung.
Wer erfahren will, welches dieser Elemente sich am Ende in Trier durchsetzt, sollte die Premiere (17. Dezember, 19.30 Uhr) oder eine der elf Folgevorstellungen bis zum 2. März besuchen.Extra

Es beginnt wie in dem bekannten Märchen: Beim Fest zur Geburt von Prinzessin Aurora wird die böse Fee Carabosse nicht eingeladen und revanchiert sich mit einem Fluch. 16 Jahre später verführt Carabosse bei der Geburtstagsparty die Prinzessin zum Konsum bewusstseinsverändernder Mittel. Sie fällt in tiefe Bewusstlosigkeit und wird von Carabosse an einen Ort verschleppt, wo sie ihr - wie andere Opfer - willenlos ausgeliefert ist. Einer ihrer Bewacher, Prinz Desiree, verliebt sich in die Prinzessin. Es kommt zu heftigen Konflikten, an deren Ende er sie erlöst. Aber Carabosse bleibt gefährlich. DiL

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