"Du hast dich ganz und gar ausgegeben"

TRIER. Er war einer der ganz Großen seiner Zunft, schon mit 41 Jahren. Er war Dauergast in Bayreuth, produzierte für Radio und Fernsehen. Und er war Ehranger mit Leib und Seele, bis hin zu seinem Namen. Der Bassist Peter Roth-Ehrang starb 1966, zwei Tage nach Weihnachten, an Herzversagen.

Kurz zuvor hatte er seinem Trierer Freund und Vertrauten, dem Journalisten Claus Zander, triumphierend geschrieben: "Nächstes Jahr London und die Met." Roth-Ehrang näherte sich dem Höhepunkt einer steilen Karriere, nach außergewöhnlichen Lebenswegen mit tragischen Verwicklungen und rauschenden Erfolgen. "Du hast dich ganz und gar für das Theater ausgegeben", rief ihm Rolf Liebermann, der Intendant seines Hamburger Stammhauses, bei der Totenfeier nach. Roth-Ehrang sei ein Mensch gewesen, "hinter dessen Burschikosität sich große Zartheit verbarg". Als Peter Roth am 8. Juni 1925 in Ehrang als Sohn eines Buchdruckermeisters auf die Welt kam, deutete wenig auf eine künftige Künstlerkarriere hin. In der Schule fiel er durch Freude an Gedichten und "ein gutes Mundwerk" auf, wie es sein Lehrer Willi Schmitt formulierte. Letzteres galt freilich weniger für den Gesang, da habe "der Roths Pitt", wie er bis heute in Ehrang heißt, eher gebrummt als geglänzt. Kein Wunder, dass er zunächst bei der Stadtverwaltung landete. Der Wunsch, Sänger zu werden, entstand während der Kriegsgefangenschaft in Frankreich. Als er 1948 zurückkehrte, begann er zielstrebig, aus dem im Gesangverein gepflegten Hobby durch Unterricht bei dem Trierer Sänger Kurt Prasse einen Beruf zu machen. "Der Entschluss war unumstößlich", erinnert sich seine erste Frau Hertha. Ohrenzeugen erzählen von einem "begnadeten Naturtalent". Aber der Prophet galt nicht viel im eigenen Lande. Das Theater bot ihm einen Job im Chor (!) an - zu wenig für einen, der spürte, was in ihm steckte. So ließ man ihn ziehen, ein betrübliches Kapitel Trierer Talentpflege, über das spätere Biographen den Mantel des Schweigens breiteten. In Wiesbaden holte der 25-Jährige nach, was ihm fehlte: Er legte das Sänger-Examen ab, ohne je eine Musikhochschule besucht zu haben. Seine Frau half bei der Finanzierung der Ausbildung, indem sie Naturalien von der ländlichen Verwandschaft als Tauschobjekte für Unterrichtsstunden organisierte. Dann kam der ungewöhnlichste Schritt: Roth wechselte in den Osten, nach Leipzig und Dessau. "Alle haben uns damals für bekloppt erklärt", erinnert sich Hertha Roth an die "düsteren Zeiten". Doch der Mut zahlte sich aus: Die Berliner Oper rief, und von dort aus ging es 1961 an die Staatsoper Hamburg. Er sang mit den Großen seiner Zeit, mit Gobbi und di Stefano, Wunderlich und Schock, Nilsson und Rothenberger. Wieland Wagner holte ihn für den Bayreuther Ring, Hamburg machte ihn zum Kammersänger, und das alles noch vor dem 40. Geburtstag. Die umfangreiche Korrespondenz mit Claus Zander liest sich wie eine haarsträubende Agenda. Akribisch zählte Roth seine unzähligen Bühnenrollen auf, kombiniert mit Fernseh- und Radioaufnahmen nebst Auftritten mit Gesangs- und Musikvereinen in ganz Deutschland. Sein Repertoire muss schier unerschöpflich gewesen sein, sein Wille, zu spielen, nicht minder. "Oft genug gab es für dich sieben Auftritte in der Woche", sagte Rolf Liebermann am Grab des Sängers. Aber Roth war auch ein Zerrissener. Zerrissen zwischen der großen Karriere und der Liebe zu seiner Heimat. Stolz schrieb er im April '65, der Senat habe endlich den Anhang "Ehrang" als amtlichen Familiennamen anerkannt, so dass sein Sohn "der erste Roth-Ehrang ist, der geboren wurde". "Wenn er zu Hause war, dann brach alles aus ihm heraus", erinnert sich der Ehranger Sänger Horst Lorig. Dann musizierte er mit den Freunden, zog durch die Gemeinde, wo man ihn "wie einen Gott" (Lorig) verehrte, verschmähte auch den Alkohol nicht, den er gerne in Weinliedern besang. Endlich konnte er wieder Platt reden, einfach "Roths Pitt" sein. Aber er habe auch "oft mit seiner Gesundheit gespielt", erinnert sich Hertha Roth. Es traf ihn hart, als aufgrund seiner Scheidung ein Streit mit seinen Eltern ausbrach, der bis nach dem Tod des Vaters anhielt. Rührend liest sich ein Brief, in dem der Sänger den befreundeten Journalisten bat, doch von seinen Erfolgen in einem "kleinen Artikelchen" zu berichten, um den Vater milde zu stimmen - vergebens. In seinem letzter Brief nach Trier empfiehlt er, zwei Monate vor seinem Tod, einen "jungen Bariton aus Trier-Biewer" der öffentlichen Aufmerksamkeit: Franz Grundheber, dessen Karriere-Start er ratgebend begleitet hat. Bis heute hält der weltberühmte Bariton das Andenken an den väterlichen Freund aufrecht - im Herbst wird er wieder ein Konzert in Ehrang geben. Im letzten Jahr ist dankenswerterweise eine CD erschienen, die trotz einer unglücklichen Dominanz von Wein- und Trinkliedern einen Eindruck von der großen Kunst des Peter Roth-Ehrang vermittelt. Ein mit großer Noblesse, aber nie salbungsvoll gesungener Sarastro, eine wunderbar bewegende "Mantel-Arie" aus "La Bohème" und vor allem brillant interpretierte Balladen von Carl Loewe, die ihn als vorzüglichen Liedersänger ausweisen, machen die Anschaffung unentbehrlich. Bestellbar unter 0651/66494.

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