Dunkle Mythen in bunten Tüten

Vier Jahre Durststrecke haben Fans der deutschen Metal-Band Blind Guardian hinter sich. In der Trierer Arena meldeten sich die Mannen um Hansi Kürsch und André Olbrich vor 2200 Fans bestens aufgelegt zurück. Neben neuen mythischen Hymnen zelebrierten Blind Guardian auch ihre unverwüstlichen Klassiker.

 Sänger Hansi Kürsch überzeugt die Fans in Trier mit seiner Band . TV-Foto: Sven Eisenkrämer

Sänger Hansi Kürsch überzeugt die Fans in Trier mit seiner Band . TV-Foto: Sven Eisenkrämer

Trier. Donnergrollen, ein dramatischer Ritt von Chor und Orchester, das Hämmern des Schlagzeugs, ein krachender Gitarrenakkord, ein Blitzgewitter - und da sind sie: Blind Guardian eröffenen ihren musikalischen Siegeszug mit dem opulenten Opener "Sacred Words" vom neuen Silberling "At The Edge Of Time".

Nein, den Chor haben sie nicht mit nach Trier gebracht. Auch das Sinfonieorchester muss aus der Konserve kommen. Für das Studioalbum setzten Blind Guardian dennoch weitgehend auf handgewirktes Machwerk. Metal und Sinfonieorchester - das muss sich nicht beißen. Im Gegenteil, das Edelmetall aus düsterem Metal, melancholischen Folk-Elementen und sinfonischem Prunk sind das Markenzeichen der Band, das diese perfektioniert hat. Ihr neues Album "At The Edge Of Time" hat die deutschen Albumcharts im Sturm genommen. Trotzdem spendiert Blind Guardian den Fans nicht nur Kompositionen vom neuen Silberling, sondern zelebriert mit dem Meer aus Metal-Fans ihre großen Hymnen wie "Fly" oder "A voice in the dark". Da funktioniert der Chor der Treuen wie von selbst.

Die Fantasy-Epen von J.R.R. Tolkien sind die großen Themen der Krefelder. Blind Guardian: der blinde Wächter. Ein für die klassische Fantasy typisches Bild. Der mit Schwert und Schild gerüstete Held trifft während seiner Mission zur Rettung einer holden Maid oder gleich des kompletten Universums auf ein mächtiges Wesen, das einen für die Mission unverzichtbaren Eingang bewacht. Nur wenn der Held sich würdig erweist, lässt der blinde Wächter, ein Symbol neutraler Allmacht, ihn passieren. Der Bandname passt. Klassische Fantasy in der Musik hatten die Köpfe von Blind Guardian im Sinn, als ihr Krefelder Bandprojekt in den 80ern auf Touren kam.

Pompöse Soundgebilde, hämmernde Rhythmen, mächtige Hymnen und kühnes Pathos - Blind Guardian bewegen sich mit ihren epischen Kompositionen am Rand zum Kitsch, ohne den Bogen aus Pathos und Hymnus zu überspannen. Dabei wirkt ihre Musik nie lächerlich, immer homogen, und agiert mit hohem Wiedererkennungswert. Düstere Legenden und finstere Märchen sind eingepackt in perfektes Ohrwurmgewand, hübsch eingetütet zum schwelgerischen Mitsingen. Da recken sich 2200 Wikingerfäuste beim Klassiker "Valhalla" gen Walhalla.

Die Bühnenshow enttäuscht, fällt spartanisch aus. Eine Videoleinwand spiegelt mythische Bilderreigen, doch visuell bleibt der Auftritt eher unfantastisch. Gitarrenzauberer André Olbrichist, mehr Stoiker denn Furor, schüttelte gelegentlich seine Lockenpracht. Frontmann Hansi Kürsch stützt sich beim Nackenschleudern lässig auf die Knie. Ein bisschen mehr Action hätte da gutgetan.

Extra

Blind Guardian: Hervorgegangen ist die Band um Sänger Hansi Kürsch aus der 1984 gegründeten "Lucifer's Heritage", die sich dem Speed Metal verschrieben hatte. Seit der Umbenennung in Blind Guardian 1987 wurde die Musik bombastischer, orchestraler und erfolgreicher. Sie steht bis heute mit neun Studioalben an der Spitze des deutschen Metal. (jp)

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