Dunkle Wolken am Trierer Theaterhimmel

Trier · Mitten in der Diskussion um die Antikenfestspiele wird Trier von einem Problem eingeholt, gegen das der Erhalt des Festivals eine vergleichsweise harmlose Aufgabe ist. Durch jahrelanges Zuwarten ist ein riesiger Sanierungs-Bedarf beim Theater entstanden, der nun zu akutem Handlungsbedarf führt. Parallel wird auch über die Zukunft des Drei-Sparten-Hauses diskutiert.

Es war eine Überraschung der ganz unliebsamen Sorte, die bei der abschließenden Haushaltsberatung, in der "Nacht der langen Messer", auf die Mitglieder des Steuerungsausschusses wartete. Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink teilte mit, das Theater weise einen Sanierungsbedarf von 18, 4 Millionen Euro auf. Vorgeschriebene Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen, Beseitigung erheblicher Mängel an der Bausubstanz, zuschauerfreundliche Modernisierung, behindertengerechter Ausbau, Steigerung der Energie-Effizienz: 45 Jahre nach seiner Eröffnung ist der Zweckbau am Augustinerhof hoffnungslos veraltet - und teilweise schlicht marode.

"Wenn nicht bald etwas passiert, macht uns die Baupolizei irgendwann den Laden zu", heißt es im Theater. Eine Einschätzung, die der Kulturdezernent teilt. Auch wenn er darauf hinweist, "dass kein Besucher Angst haben muss, es würde ihm etwas passieren". Aber wenn es kein Signal gebe, dass die Sanierung auf den Weg gebracht werde, "dann muss man mit Konsequenzen rechnen".

Dem folgten auch die Ausschussmitglieder und machten erst einmal zusätzliche 400 000 Euro an Planungsmitteln frei, damit unverzüglich die Vorarbeiten für die Mammut-Sanierung eingeleitet werden können. Insgesamt 800 000 Euro soll allein die baufertige Planung bis 2010 kosten. Damit war der Vorrat an Gemeinsamkeiten aber auch erschöpft. Im Vorzeichen der Kommunalwahlen entspann sich eine heftige Debatte über die Schuld an der monumentalen Sanierungs-Lücke. Holkenbrink musste sich den Vowurf anhören, sehenden Auges auf die Millionen-Last zugegangen zu sein und erst in letzter Minute die Reißleine gezogen zu haben. Der Dezernent verwies im Gegenzug darauf, den zuständigen Ausschuss immer wieder auf das Problem aufmerksam gemacht zu haben. "Auch die Größenordnung kann für niemanden eine Überraschung gewesen sein", erklärte Holkenbrink gegenüber dem TV.

Die Situation ist äußerst brisant, weil niemand weiß, wie die Sanierung finanziert werden soll. Als sicher gilt, dass die Landesregierung, die in den vergangenen Jahren mit dreistelligen Millionensummen Theaterneu- und Umbauten in Kaiserslautern und Mainz gefördert hat, die Trierer nicht hängen lässt. Problematisch ist eher, wie so oft, der aufzubringende Eigenanteil. Kein Wunder, dass Holkenbrink, ähnlich wie im Südbad, eine Beteiligung privater Kapitalgeber prüfen will.

So oder so: An einer zeitweiligen Schließung kommt das Theater wohl nicht vorbei. Holkenbrink geht davon aus, dass die Arbeiten das Haus zwei Spielzeiten lang blockieren könnten. Den Spielbetrieb einzustellen, ist undenkbar, wird doch das Theaterpersonal, das 95 Prozent der Ausgaben schluckt, weiter beschäftigt.

Es ist daran gedacht, in ein großes Zelt als Ersatz-Spielstätte auszuweichen. Aber auch das würde beträchtliche Zusatz-Kosten verursachen.

20 Millionen Gesamt-Aufwand sind deshalb noch eine eher optimistische Schätzung. Vom großen Bundes-Konjunkturprogramm ist dabei keine Hilfe zu erwarten, gehört doch Kultur nicht zu den geförderten Bereichen.

Bevor sie so viel Geld, das sie ohnehin nicht haben, in die Hand nehmen, wollen die Stadträte wissen, wohin die Theater-Reise auf Dauer geht. Selbst bislang verpönte Begriffe wie Spartenschließung und Bespiel-Theater sind dabei offenkundig kein Tabu. "Wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass Trier ein Theater braucht", betonte Ulrich Holkenbrink. Aber wie das künftig aussehe, darüber müsse man reden. Mit den konzeptionellen und finanziellen Fragen soll sich der Kulturausschuss in einer Sondersitzung befassen.

Wie gespannt die Situation derzeit ist, wurde gestern am Rande der Theater-Diskussion deutlich. Nachdem Intendant Gerhard Weber in einem Rundfunk-Interview ein angebliches Konzept für die künftigen Antikenfestspiele präsentiert hatte, pfiffen ihn Oberbürgermeister und Kulturdezernent rüde zurück. Es gebe, so Jensen und Holkenbrink demonstrativ, "definitiv noch kein Konzept" und es sei auch niemand autorisiert, dazu öffentliche Stellungnahmen abzugeben.

Flaggschiff mit Schlagseite

Von Dieter Lintz

Der Trierer Kulturpolitik fliegen derzeit alle Tretminen um die Ohren, die sich im Laufe der Jahre durch das konsequente Ignorieren der Probleme angesammelt haben. Die Festspiele abgesagt, „Brot und Spiele“ nur per Notoperation gerade mal noch so für 2009 gerettet, die groß gefeierte Dachmarke in der Versenkung verschwunden, und nun kriegt auch noch das Flaggschiff Theater mächtig Schlagseite. Das hat sicher damit zu tun, dass seitens des Dezernates eine klare Struktur, überzeugende Konzepte und tragfähige Langzeit-Strategien fehlen. Aber es liegt nicht nur an Dezernent Ulrich Holkenbrink, dass sich Kulturpolitik in Trier seit Jahren in ständig hektischer werdendem Krisenmanagement erschöpft. Alle Probleme liegen offen auf dem Tisch, und niemand hindert die Parteien und Fraktionen daran, sie aufzugreifen. Dann müsste man sich endlich der riesigen Kluft stellen, die zwischen den eigenen Ansprüchen und der Realität klafft. Um die nötige Theatersanierung beispielsweise, die der langjährige Verwaltungsdirektor Reichert ein ums andere Mal angemahnt hat, haben sich alle gemeinsam herumgedrückt. Aber es ist billiger, zumal in Wahlkampfzeiten, Sündenböcke zu suchen.

Nur: Es löst keine Probleme. Vielleicht fördert die Krise jetzt die Einsicht, dass die Trierer Kultur rund um den Riesen Theater erst ein überzeugendes Gesamt-Konzept braucht – und dann das Geld, um es umzusetzen.
d.lintz@volksfreund.de

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