Edle Perlen an hauchdünner Schnur

LUXEMBURG. Wir basteln uns eine Mozart-Oper: Unter diesem Motto bringt das Grand Théâtre einen besonderen Beitrag zum Geburtstagsjahr des Genies heraus. Bei der Weltpremiere am Dienstag hatte das Publikum reichlich Spaß.

21 Opern hat Wolfgang Amadeus Mozart komponiert, jedenfalls, wenn man die unvollendeten Werke dazurechnet. Ganze fünf davon werden im Repertoire der Opernhäuser rauf- und runtergenudelt, zwei weitere sind ab und zu in besseren Theatern zu hören. Der Rest ist gelegentlichen Ausgrabungen vorbehalten oder gänzlich dem Vergessen anheim gefallen. Macht summa summarum eine gute Hundertschaft schönster Arien, Ouvertüren und Ensembles, die dem "normalen" Publikum vorenthalten werden. Kein Wunder, dass dieses Potenzial die Opernmacher nicht ruhen lässt. 1994 brachten die Salzburger Festspiele mit sensationellem Erfolg "Ombra felice" heraus, eine aus seltenen Arien verschiedener Stücke zusammengestellte, mit eigener Handlung versehene Mozart-Patchwork-Oper. Sie hält sich bis heute im Repertoire. Das mag den Luxemburgern und ihren französischen Kooperationspartnern in der Nase gesteckt haben, als sie "Mozart Short Cuts" in Auftrag gaben. Herausgekommen ist eine luftig-leichte, augenzwinkernde Mozart-Revue, deutlich leichtgewichtiger als das Salzburger Pendant, aber durchaus unterhaltsam. Rahmenhandlung im Grand Hotel

Das von der Dirigentin Laurence Equilbey und dem Regie-Duo Macha Makeieff/Jérome Deschamps entwickelte Stück reiht edle Mozart-Perlen aus neun selten gespielten Opern aneinander, verbunden durch eine hauchdünne Schnur. Die Rahmenhandlung spielt in einer Hotelhalle von leicht abgestandenem Charme, wo sich Paare, Passanten versammeln. Menschen im Hotel, Schicksale, man trifft sich, trennt sich, liebt sich, streitet sich, ab und zu wird auch mal jemand entführt oder erschossen. Furchtbar ernst muss man das nicht nehmen, dafür sorgt schon ein Portier, der mal in seiner Loge vor sich hin schnarcht, dann ebenso ungeniert wie unmusikalisch Arien aus La Traviata oder Melodien aus dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker trällert. Gelegentlich schaltet sich der Mann mit der Falstaff-Statur auch als ungebetener Duettpartner in die Handlung ein, telefoniert dazwischen, dirigiert mit dem Staubwedel oder präsentiert andere Versatzstücke eines unverkennbar angelsächsischen Humors. Um diese skurrilen Type, verkörpert vom englischen Schauspieler Robert Horn, gruppiert sich die aus den Arien geschickt zusammengebosselte Handlung. Tempo ersetzt filigrane Übergänge. Man braucht nicht viel, um die überdrehten Beziehungsdramen zu verstehen, was schon deshalb gut ist, weil das Programmheft - für Luxemburg ungewohnt - keinen Leitfaden auf Deutsch bietet. Aber die Handlung ist ohnehin zweitrangig. Der Genuss besteht aus 14 Arien, drei Orchesterstücken und fünf Ensembles vom Duo bis zum Oktett. Alles waschechter, feinster Mozart. Aber eben absolut unverbraucht. Ein Vergnügen für Ohren, die nach Neuem lechzen, aber doch von Gewohntem nicht lassen wollen. Mitridate und Il Re pastore, Finta Gardiniera und Betulia Liberata, Lo sposo deluso und L'oca del Cairo: Lauter Schatztruhen. Da lässt sich schon heraushören, was später zur Meisterschaft reifte: Zaides Zorn als kleine Schwester der Königin der Nacht, Lucio Sillas Orchesterwogen als Vorahnung von Don Giovanni. Starke Kapelle und hörenswerte Sängertruppe

Das macht Spaß, zumal die 31 Musiker von der Batzdorfer Hofkapelle einen spannenden, konventionelle Hörgewohnheiten brechenden Mozart mit viel Engagement für historischen Originalklang spielen. Und die junge Sängertruppe kann sich hören lassen, allen voran die Sopranistinnen Ditte Andersen und Kamila Benhamza und der Bassbariton Konstantin Wolff. Das Publikum verlässt das Grand Théâtre unübersehbar wohlgestimmt. Und für Mozart-Fans sind sie eh ein Muss, die "Short Cuts" - übrigens, mit Verlaub, ein ziemlich blöder Name für eine französisch-luxemburgische Coproduktion mit deutschen und italienischen Opern eines österreichischen Komponisten. Weitere Termine am Donnerstag, 4. und Samstag, 6. Mai, jeweils um 20 Uhr. Informationen gibt es unter www.theater-vdl.lu, Tickets unter der Nummer: 00352/4708951.

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