Ein 68-er an der Orgel

Fast 40 Jahre war er im Kirchendienst, seit 1994 an der Basilika St. Paulin. Zwei Jahre vor der Zeit ist Regionalkantor Joachim Reidenbach jetzt in den Ruhestand getreten.

 Will auch nach der Pensionierung weiter komponieren: Joachim Reidenbach. TV-Foto: Archiv

Will auch nach der Pensionierung weiter komponieren: Joachim Reidenbach. TV-Foto: Archiv



Trier. In Sachen Kirchenmusik muss man in den letzten Jahren immer mehr eine Feststellung treffen: Die alte Garde tritt ab. Gemeint sind jene Kirchenmusiker, die ab den 1960er und 70er Jahren das Geschehen der Musica sacra bestimmt und geprägt haben. Zu diesem Personenkreis zählt für die Stadt und die Region Trier in ganz besonderer Weise Joachim Reidenbach, der 1971 seine erste Organistenstelle in der Trierer Pfarrei St. Martin angetreten hat. Es war die Zeit, in der etwas bewegt wurde, in der es eine große kirchenmusikalische Aufbruchstimmung gab. Die 68-er gab es auch auf diesem Gebiet, wenn auch nicht so militant, und Reidenbach gehörte zu ihnen.

Heraus aus dem engen Korsett



Er wollte heraus aus dem engen Korsett, das die offizielle Lehrmeinung vorgab. Reidenbach ist seinen Weg kompromisslos gegangen. Stationen waren hierbei neben St. Martin die Pfarreien in Euren, St. Maternus in Heiligkreuz und St. Valerius, bis er schließlich 1994 nach St. Paulin berufen wurde.

Ausgestattet mit dem Kantorenexamen und der künstlerischen Reifeprüfung für Organisten sowie mit einer Kapellmeisterausbildung und einem Kompositionsstudium, war Reidenbach bestens gerüstet, auf drei Gebieten Akzente zu setzen, die nicht übersehen und vor allem überhört werden konnten. Es machte Freude, Reidenbach als Organist zu erleben, besonders wenn er improvisierte. Das war lebendig und trug ganz unverwechselbar seine Handschrift.

Dabei war es egal, ob er an einem großen oder kleinen Instrument saß. Er wusste schnell, wo die klanglichen Stärken der Orgel lagen und bediente sich ihrer. Die Chormusik aber ist auch immer ein Gebiet gewesen, auf dem Reidenbach sich wohlfühlte und Außerordentliches geleistet hat. Schon 1966 gründete er die "Cantores Treverensis" und leitete dieses Ensemble 28 Jahre lang von einem Erfolg zum nächsten. Schon nach zwei Jahren errangen "die Cantores" bei einem internationalen Festival den ersten Preis. Er hat als Chor- und auch als Orchesterleiter nicht selten einen Spagat gewagt. Werktreue kombinierte er mit zeitgemäßer Interpretation. Wer im Pauliner Basilikachor oder im Vokalensemble mitgesungen hat, schätzte nicht zuletzt die Art, wie Reidenbach, ein echter Trierer, mit teilweise strenger Hand seine Vorstellungen umsetzte, andererseits aber auch dem Musizieren aus dem Bauch heraus Platz einräumte.

Lebendigkeit prägt seine Konzerte



Bei aller Kritik, die ihm das auch einbrachte; immer waren Reidenbachs Konzerte, insbesondere die Silvesterkonzerte in Paulin, geprägt von einer großen Lebendigkeit.

Dies ist nun vorbei. Reidenbach ist in den Ruhestand getreten, hat, nicht zuletzt bedingt durch seine Erkrankung, Orgelbank und Dirigentenpult verlassen. Nicht aber das Schreibpult, an dem der Komponist Reidenbach tätig ist. Von seinen Qualitäten auf diesem Gebiet konnte man sich beim jüngsten Jahreswechsel noch überzeugen, als er die sinfonische Fassung von "Der Herr ist mein Hirte" der Öffentlichkeit vorstellte. Ein in die Tiefe gehendes Werk, voller Aussagekraft. Und auch hier ist sich der Meister über all die Jahre treu geblieben. Kein Anbiedern an einen seichten Mainstream, keine Frage nach dem "Was wollen die Leute hören?" Viel mehr auch hier die ganz eigene Handschrift, mit der er zum Ausdruck bringt: Ich habe euch etwas zu sagen! Wer Reidenbach kennt, weiß, dass er noch viel zu sagen hat. Fragt sich nur, wie weit es da mit dem "Ruhestand" her ist. Reidenbachs Nachfolger ist übrigens der Kantor Volker Krebs aus Bleialf.

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