Ein Aufbruch, aber kein Abschied

Es fällt schwer, sich den Friedrich-Spee-Chor ohne Martin Folz vorzustellen. Und doch wird man sich daran gewöhnen müssen. Nach 16 Jahren gehen der Chor und sein Leiter getrennte Wege. Kein Abschied im Zorn: Folz steuert neue berufliche und künstlerische Wege an.

 Nie um frische Ideen verlegen: Martin Folz. Foto: Dieter Lintz

Nie um frische Ideen verlegen: Martin Folz. Foto: Dieter Lintz

Trier. Als Martin Folz 1992 die Nachfolge des legendären Karl Berg beim Spee-Chor antrat, war das Geraune der Skeptiker nicht zu überhören. Gerade mal 30 Jahre jung, unüberhörbarer Saarländer, dazu mit einem für trierische Verhältnisse geradezu exotischen Faible für zeitgenössische Musik ausgestattet: Das waren scheinbar der Handicaps zu viele. Aber es dauerte nicht lange, da hatte sich der junge Mann mit dem stets wuseligen Haarschopf und seiner im umgekehrten Verhältnis zur Körpergröße stehenden Umtriebigkeit auf ganzer Linie durchgesetzt. Der Spee-Chor wurde zu Zeiten des großen Leopold Hager zum "Stamm-Partner" der Luxemburger Philharmoniker, sang bei sperrigen Groß-Projekten des Trierer Theaters wie dem Oratorium "Johanna auf dem Scheiterhaufen" und war zur Stelle, wenn Heinz Lukas-Kindermann bei den Antikenfestspielen anspruchsvollste Aufgaben zu vergeben hatte. "Tolle Zeiten", resümiert Martin Folz im TV-Gespräch. Es sei "eine faszinierende Aufgabe" gewesen, den Chor vor allem grenzüberschreitend in der Großregion zu etablieren. Aber ihm sei auch immer klar gewesen, "dass das keine Arbeit bis zur Rente sein soll". Ein Vollzeit-Job ist die Chorleiter-Stelle ohnehin nicht - anders als etwa bei Chören, die zu großen kirchlichen Organisationen gehören. Um existieren zu können, brauchte Folz immer den musikalischen Bauchladen: Sein "Europäisches Zentrum für Chorkultur", die Leitung des grenzüberschreitenden Robert-Schuman-Chors, die Dozentenstelle am Konservatorium Ettelbrück, die freien Dirigier-Aufgaben, dazu zwei hochkarätige kleinere Vokal-Ensembles. Überleben ohne Terminkalender ist da nicht drin. "Es geht ziemlich rund", lacht der 46-Jährige, "aber meine Frau ist ja gelernte Kulturmanagerin". Im Hause Martin Folz/Carola Ehrt ist professionelle Organisation Trumpf, zumal seit Töchterchen Klara vor zwei Jahren die Familie komplettierte.In Ettelbrück hat man seine Dozenten-Stelle aufgewertet, er bildet jetzt auch Nachwuchs-Dirigenten aus. In der Tufa steht die Jugend-Chorwerkstatt "Galyleo" vor der Gründung, "ein Projekt, auf das ich mich wahnsinnig freue". Ebenso wie auf das neue Barock-Ensemble "decamerone", das er gemeinsam mit Saarbrücker Orchester-Musikern aufbaut. Ein neuer Aufbruch, nicht zum ersten Mal. Vor zwanzig Jahren gab er den sicheren Pensions-Job als Kirchen-Musiker auf, vor zehn Jahren siedelte er teilzeitmäßig nach Berlin um. Martin Folz braucht Bewegung. "Jetzt ist es wohl mal wieder so weit", sagt er mit einem Anflug von Selbstironie. Schon vor einem Jahr, als klar wurde, dass seine neuen Projekte ihm zu wenig Raum für den Spee-Chor lassen würden, hat er seine Sängerinnen und Sänger über den beabsichtigten Ausstieg im Frühjahr 2008 unterrichtet.So war Zeit, in Ruhe einen Nachfolger für die Stelle des Chorleiters zu suchen, der gleichzeitig auch eine Art Manager und Intendant sein muss. Der "Neue" heißt Thomas Hofereiter, ist 42, wurde in Potsdam geboren, arbeitet schwerpunktmäßig in Nordhausen und weist eine beachtliche Biografie zwischen Kirchenmusik, Orchesterleitung, Klavierbegleitung und Lehr-Aufgaben auf. Martin Folz verabschiedet sich standesgemäß: Mit einer Johannes-Passion am Karfreitag in der Pfarrkirche Heiligkreuz. Mit Claudia von Tilzer, Marion Eckstein, Max Kiener, Jean-Paul Majerus und Vinzenz Haab gönnt er sich einige seiner Lieblings-Solisten. Und mit dem "ensemble decamerone" stellt er eines der neuen Projekte dem Publikum vor. Und das signalisiert die gute Nachricht: Martin Folz bleibt der Trierer Szene erhalten.

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