Kulturmacher Stefan Bastians „Kultur fängt für mich ganz unten an“
In Trier hat er seine Produktionen aufgeführt – jetzt möchte er einen kulturellen Treffpunkt erschaffen: ein Besuch bei Regisseur, Theater- und Filmemacher Stefan Bastians.
Wer Stefan Bastians besucht, hat bereits vorher Grund zur Freude. Die Fahrt durch das schöne Salmtal, zwischen Wäldern und Felswänden ist Erholung pur. Dann zweigt die Straße ab in ein idyllisches Tal mit gelb gesprenkelten Wiesen. Hier, im so genannten Heckenland, hat sich der Kulturmacher und Coach in Gladbach niedergelassen, einem ansehnlichen Eifeldorf mit alten Mühlen und historischem Ortskern. Unversehens ist man an dem zurückliegenden Haus vorbeigefahren. Doch dann ist es gefunden. Der Hausherr ist zur Begrüßung schon vor die Tür getreten. Aufgeregt kommt einer der beiden Hunde um die Ecke, um den fremden Gast zu beschnuppern.
Stefan Bastians ist ein Mann mit vielen Eigenschaften. Als er sich vor ein paar Jahren mit seiner Partnerin, Hunden und Katzen in der Eifel niederließ, hatte er bereits eine lange Liste an Kompetenzen und Tätigkeiten sowie an Wohnorten vorzuweisen. Nach dem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Pädagogik ließ er sich zum Schauspieler ausbilden. Später folgte noch ein Studium im Kulturmanagement. Neben anderen Lehraufträgen unterrichtete er als Professor an der Hochschule für Musik, Theater und Tanz in Frankfurt. Ganze Seiten füllt inzwischen die Auflistung seiner Projekte als Regisseur und Filmemacher.
In Trier machte der 1965 geborene Stuttgarter mit den Tufa-Produktionen, der Jazzoper „Blue Sheets“ und seinem postmigrantischen Theaterstück „Odyssee“ von sich reden. Einer zeitgenössischen Überschreibung von Homers gleichnamigem Epos, das der Theatermacher mit Flüchtlingen erarbeitet hatte. Viel Beachtung und Auszeichnung fand auch sein Filmprojekt „TreVirus“, eine Kooperation mit dem Trierer Jobcenter. Die Arbeit mit Migranten und marginalisierten Menschen ist das andere große Thema in Bastians Schaffen neben der rein künstlerischen Arbeit.
Seit 2017 arbeitet er auch als Integrationsberater und Coach. Eigentlich ist dieser weitere Schwerpunkt nicht wirklich ein anderer. Für den weltläufigen Grenzgänger im Dreiländereck, der nach dem Motto „global denken, lokal handeln“ verfährt, hat sich Kunst ohnehin in den Dienst von Menschen und Gesellschaft zu stellen. Die Rede kommt dann auch ganz schnell im Gespräch auf die Beziehung von Kunst und Gesellschaft. Überhaupt: Die gemeinsame Leistung von Kulturschaffenden und Gesellschaft ist für Bastians unverzichtbar, wenn es um das Ziel einer lebenswerteren, humaneren Welt geht.
„Die Kunst muss in die Gesellschaft hineinwirken“, sagt der Künstler. „Es geht darum, das schöne Antlitz des Menschen und seine Würde zu bewahren.“ Wenn er das sagt, ist er ganz nah an jener klassischen Kunsttheorie, die mittels der Kunst die Welt besser machen will. Wie er sich die künstlerische Gestaltung seines soziokulturellen Plans vorstellt, hat er immer wieder in seinen Theaterprojekten demonstriert. „Das Theater muss sich mit der Gesellschaft und ihren Verhältnissen auseinandersetzen, sie analysieren und auf sie reagieren“, fordert der Regisseur.
Sein Konzept entspricht dabei dem des „Applied Theatre“, einem soziokulturellen Theater, das in die urbanen und ländlichen Lebensräume geht, ihre Bedingungen und Probleme auslotet und im gemeinschaftlichen Arbeitsprozess mit den Bewohnern Projekte entstehen lässt. Über die künstlerische Teilhabe wird so soziale Teilhabe, Bindung und Bewusstwerdung schichtenübergreifend gefördert. „Kultur fängt für mich ganz unten an“, sagt Bastians und meint mit „unten“ soziale Milieus.
Genau dieser Zielsetzung folgt auch sein neues Projekt, das er in der Verbandsgemeinde Wittlich-Land zu realisieren hofft. Ein kultureller Treffpunkt für alle Schichten soll seine geplante Arche 2,0 sein, die er statt mit Wasser „mit Sinn fluten“ will. Dort soll auch jene differenzierte inhaltliche Auseinandersetzung stattfinden, die er zunehmend in Zeiten plakativer Wahrheiten vermisst. „Kultur beruht auf einem sich ständig entwickelnden Prozess und menschlichem Diskurs“, erklärt Bastians.
Gerade dessen Zustand macht dem Regisseur Sorgen. „Es geht ums differenzierte Nachdenken und nicht ums Verkünden von Merksätzen in großen Lettern“, warnt der Künstler. Selbständig denken bedeutet auch für den Theatermacher Freiheit. Dazu müssten die Kunst und speziell das Theater ihren aktuellen Beitrag leisten. Wie es das schafft ist für Bastians klar: „Das Theater muss progressiv und zeitgenössisch sein.“
Nicht zur Diskussion stehen für den einstigen Hochschullehrer die angesichts der Corona-Pandemie mancherorts wieder aufgekommenen Diskussionen um Theaterschließungen. „Eine Kulturgesellschaft und ihre Städte müssen sich ihre Theater leisten“.
Eva-Maria Reuther