Ein billionstel Gramm soll noch zu viel sein

Trier · Kein anderes Molekül hat in den vergangenen Monaten für solche Schlagzeilen gesorgt wie die Chlorchemikalien, die unter dem Namen Dioxin durch deutsche Kühlschränke geistern. Diese Woche stellt die Serie des Deutschlandfunks in Kooperation mit dem Volksfreund die chemische Verbindung vor.

Man nehme 3000 Hühnereier, kiloweise Fleisch vom Schwein, Dutzende Liter Milch und verbringe damit gut vier Wochen am Stück im Labor, Sonderschichten an Silvester inbegriffen. So sah kürzlich die Jahreswende in vielen deutschen Überwachungsbehörden aus. Die Analytiker mussten Überstunden schieben, weil ein Lebensmittelskandal das Land erschütterte. Zunächst in Futterfetten, dann auch in Eiern und Schweinefleisch war mal wieder ein altes Schreckgespenst in unzulässigen Mengen aufgetaucht - Dioxin.

Unter diesem Begriff fassen Experten über 200 eng verwandte Chlorchemikalien zusammen. Dioxine entstehen als unerwünschte Nebenprodukte bei diversen Verbrennungs- und Chemieprozessen. "Sie gehören zu den giftigsten Verbindungen, die der Mensch jemals schuf", sagt Peter Fürst, der Leiter des Dioxin-Labors am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Münster.

Aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation sollte eigentlich niemand mehr als ein Pikogramm von der Substanz pro Tag und Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Das ist gerade mal ein billionstel Gramm! Und zeigt, für wie gefährlich die Mitglieder der Großfamilie gehalten werden.

1976 geriet bei einem Chemie-Unfall im italienischen Seveso Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) in großen Mengen in die Außenwelt, der giftigste Vertreter der Stoffgruppe. Dioxin-trächtige Chemieverfahren wurden zwar in der Folge optimiert, Müllverbrennungsanlagen bekamen Filter und die Hintergrundbelastung ging zurück. Doch bis heute halten uns TCDD & Co. in Atem.

Die Substanzen sind sehr langlebig, überall in der Umwelt anzutreffen und gelangen auch in die Nahrungskette. "Der Mensch nimmt Dioxin hauptsächlich mit der Nahrung auf", erklärt Lebensmittelchemiker Fürst. Einmal einverleibt, wird man die Gifte nicht so schnell wieder los - ihre Halbwertzeit beträgt sieben Jahre. Deshalb akkumuliert immer mehr Dioxin im Körper. Und kann das Immun-, Nerven- und Fortpflanzungssystem angreifen.

Der jüngste Dioxin-Skandal geht auf kontaminierte technische Fette zurück, die illegal in Futtermitteln landeten. Peter Fürst will weitere Betrugsfälle nicht ausschließen, beruhigt aber Verbraucher zugleich. Eine akute Gesundheitsgefährdung gehe von Lebensmitteln mit leicht erhöhten Dioxin-Werten nicht aus. Was auch das Bundesinstitut für Risikobewertung so sieht. "Wir müssen sicher keine Angst vor Dioxinen haben", meint der CVUA-Laborchef, aber die Überwachung von Futter- und Lebensmitteln solle engmaschig bleiben - "um die schwarzen Schafe möglichst zu erwischen".

Dieser Beitrag läuft am 2. März im Deutschlandfunk im Rahmen der Reihe "M3 - Mraseks Molekül-Mosaik", immer mittwochs um 16.35 Uhr, in der Sendung "Forschung aktuell". In der Region empfangen Sie den Deutschlandfunk auf UKW 95,4 und 104,6. Weitere Infos im Netz unter www.dradio.de/jahrderchemie

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort