Ein Cabaret ist unsere Welt

Die frivole Welt des Berlins der 20er Jahre hat im Theater Trier Einzug gehalten. Doch hinter dem schönen Schein lauert die braune Gefahr. Mit dem Kultmusical Cabaret hat Regisseur Peter Zeug ein hintergründig politisches Stück auf die Bühne gebracht.

Trier. Wie die Linse einer Kamera öffnet sich die Bühne. Im Scheinwerferlicht der Maître de Plaisir. Er setzt sein maskenhaftes Lächeln auf und begrüßt sein Publikum allabendlich mit "Willkommen, bienvenue, welcome...". Schon ist der Besucher mittendrin in John Kanders Musical-Klassiker Cabaret. Die Kit-Kat-Klub-Band - die Musiker des Philharmonischen Orchesters (Leitung Christoph Jung) sitzen in glitzernden Kleidern auf Bühnenhöhe - spielt auf, knapp bekleidete Mädchen tanzen Charleston. Dazwischen der Conférencier (Peter Koppelmann) im hautengen Lederkorsett und Strapsen. Die bigotten goldenen 20er Jahre feiern muntere Umstände in Berlin.

Nüchtern und glanzlos dagegen die Pension von Fräulein Schneider, in der sich der amerikanische Schriftsteller Clifford Bradshaw (Helge Gutbrod) einmietet. Zwei Stühle markieren das Zimmer; das Stück kommt ohne großes Bühnenbild aus. Es lebt von der Präsenz der Schauspieler und Tänzer. In erster Linie Sabine Brandauer als Sally Bowles und Koppelmann. Mit ihm hat Regisseur Peter Zeug den perfekten Conférencier gefunden, der Verbindungen zwischen den Szenen schafft und die Ereignisse kommentiert. So schwärmt er von seiner Affendame, wenn der jüdische Herr Schultz (Hans-Peter Leu) um die Hand von Fräulein Schneider (Angelika Schmid) anhält, und verdeutlicht mit dem Song "Two Ladys" Cliffords Bisexualität. Richtig die Entscheidung, ein Mitglied des Musikensembles mit dieser Aufgabe zu betrauen. Denn die Stimmgewalt des Sängers trägt bereits beim Opener. Erstaunlich die schauspielerische und auch tänzerische Leistung Koppelmanns, der sich im Laufe des Stücks vom androgynen Frank N. Furter aus der Rocky Horror-Show zum warnenden Mephisto verwandelt.

Nur Sally will die Gefahr nicht wahrhaben. Sabine Brandauers Version des Klubstars ist frivol und spontan, aber auch kindlich verspielt. Sie überzeugt stimmlich und steht tänzerisch dem Tanzensemble in nichts nach. Bei Cliff ist sie Kindfrau, zwischen total abgebrüht und herrlich naiv. Der - obwohl homosexuell veranlagt - erliegt ihrem Charme, bleibt aber der ruhige Beobachter, der alles gedanklich festhält, um es später aufzuschreiben.

Ganz anders Angelika Schmid als Fräulein Schneider. "Na und?" ist ihre Devise, die sie leidenschaftlich intoniert. Schneiders spätes Glück mit Herrn Schultz hat Regisseur Zeug als Schlüsselszene des Stücks herausgearbeitet. Herzerfrischend romantisch, wie die beiden zusammenkommen - die Szene mit der Ananas als Liebesapfel entzückt die Zuschauer -, aber nie in Kitsch abdriftend.

Wie ein Film reiht sich Szene an Szene, verbunden durch einen Filmstreifen, der sich an Boden und Decke spiegelt. In Bildern zieht Cliffords Zugfahrt vorbei; Fotos verdeutlichen die zunehmende braune Gefahr. Regisseur Zeug schafft es, die Situation langsam zuzuspitzen, bis Ernst Ludwig - exzellent gespielt von Klaus-Michael Nix - bei der Verlobungsfeier seine Gesinnung in Form der roten Armbinde mit Hakenkreuz enthüllt. Die Dramtik erreicht ihren Höhepunkt, als Ludwig seinen Hass herausschreit und die Festgäste abmarschieren. Wie im Abspann eines Films lässt Cliff am Schluss alle Bekannten noch einmal Revue passieren.

Weitere Vorstellungen am 2., 6., 14., 19., 21., 24., 26., 28. Februar, 6. März, 5. April, 15. und 24. Mai. Karten in den TV-Servicecentern Trier, Wittlich, Bitburg und unter der Hotline 0651/7199-996.

UMfrage

Almut Moormann aus Trier: "Das Stück hatte Schwierigkeiten zusammenzuwachsen. Das gelang erst am Schluss des ersten Akts. Gut waren Schneider und Schultz, anrührend, nie kitschig, nie peinlich. Alles andere war mir zu provinziell, zu schülerhaft." Hasso Nitz aus Ulm: "Die Musik ist spritzig! Das Stück erinnert mich an die Zeit, die ich als Fünfjähriger in Berlin erlebt habe, die Machtergreifung. Das Berlin der 20er Jahre, einerseits die Schieber mit den dicken Zigarren, andererseits die arme Bevölkerung. Diese krassen Gegensätze sind gut herausgearbeitet." Elke Peters aus Konz-Roscheid: "Das Stück ist sehr gut, insbesondere die Tanzszenen. Man kann es gut mitverfolgen. Fräulein Schneider hat mir besonders gut gefallen, sie hat ihre Situation gut dargestellt, so wie sie sich verhält." Marlene Traut aus Klüsserath: "Das war eine ganz tolle Aufführung, vorgergründig sehr leicht, aber an den Einspielungen im Hintergrund merkt man, wie es langsam andere Züge annimmt. Ich bin total begeistert von den Schauspielern; sie sind darstellerisch, tänzerisch und sängerisch sehr gut!" TV-Fotos (4): Mechthild Schneiders

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