Ein Denkmal für Louis Scheuer

Trier · In Erinnerung an den jüdischen Trierer Revuedichter Louis Scheuer hat die freie Theatergruppe International in Kooperation mit anderen Kulturschaffenden eine multimediale Revue kreiert. "100 Jahre Krise" um Umbrüche des Jahrhunderts seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs beeindruckte bei der Premiere im Trierer Brunnenhof.

 Klonschaf Dolly und der millionste Gastarbeiter versuchen sich in einer Talkshow mit Louis Scheuer (Roman Schmitz, rechts) zu behaupten. TV-Foto: Anke Emmerling

Klonschaf Dolly und der millionste Gastarbeiter versuchen sich in einer Talkshow mit Louis Scheuer (Roman Schmitz, rechts) zu behaupten. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Louis Scheuer war ein Meister der Revuen; für den Trierer Karnevalsverein KG Heuschreck schrieb er mindestens 17 Stück. Die erfolgreichste, 1924 uraufgeführte, hieß "Mein Trier, wie lieb ich dich". Sein Werk ist verschollen, Scheuer selbst wurde als Jude 1936 aus Trier vertrieben und kam nie wieder zurück.
Die Gruppe International unter Regie von Roman Schmitz hat ihn jetzt mit ihrer Produktion "100 Jahre Krise" wieder in seine Heimatstadt zurück geholt - als Bühnenfigur und als Pate seiner eigenen Kunstform. Die 150 Besucher der Premiere erleben im historischen Ambiente des Brunnenhofs ein so kurzweiliges wie buntes Spektakel, bei dem von Beginn an das gelungene Zusammenwirken von mehr als zwanzig Schauspielern, mehr als 100 Sängern des Chors Lorscheid, des Jazz- und Popchors Trier, des Männergesangsvereins Osburg und fünf Tänzerinnen der Tiller Girls des KG Heuschreck beeindruckt.
Alle sind Laien, gehen aber sehr professionell ans Werk. Sie bringen Revue im klassischen Sinne auf die Bühne, eine Aneinanderreihung von Szenen ohne verbindenden Handlungsstrang, dafür aber mit verbindendem Thema und jeder Menge Show-Effekten. Die Revue ist aus bedeutenden oder nebensächlichen Krisenereignissen der vergangenen 100 Jahre angelegt.
90 Minuten für ein Jahrhundert


Den Auftakt macht der Begriff "Atom". Kinder sagen dazu die Namen aller Katastrophenreaktoren auf, während Chorstimmen bedrohliche Geräusche produzieren. Weiter geht es über "Demonstration" zu "Faschismus". Hier verklärt ein Handwerker die "gute alte Zeit". Sein Monolog entlarvt ihn nicht nur als Mitläufer, sondern sogar als Mörder. Auch Louis Scheuer, der sich, dargestellt von Roman Schmitz, immer wieder zu Wort meldet, wird erwähnt. "Der Jude" habe seine Sache ja schön gemacht. So wird häppchenweise und verwoben mit Scheuers Person in 90 Minuten das ganze Jahrhundert abgearbeitet, mal ernst oder kritisch, mal hintergründig humorvoll, mal politisch ambitioniert.
Witzig fällt etwa eine Talkshow aus, bei der Klonschaf Dolly und der millionste Gastarbeiter gerne ihre Sicht von Paradigmenwechseln anbringen wollen, aber zu den Klängen von "Ti Amo" mit einer geschenkten Vespa abgespeist werden. Ernst dagegen kommt zum Thema "Grundgesetz" eine philosophische Betrachtung zu Artikel 1 "Die Würde des Menschen ist unantastbar" daher. Ob es nicht paradox sei, dass im Folgesatz gesagt werde, sie müsse geschützt werden?
Alle Szenen sind als Mix verschiedener Elemente inszeniert. Tanz, Chorgesang, Monolog, Rollenspiel, Ansagen von Conférenciers, Film-, Bild- oder Textprojektionen greifen ineinander. Auch Louis Scheuer wächst in die multimedialen Möglichkeiten der Revuegestaltung hinein. Beim Punkt "Kommunikation" lernt er, seine erste Website zu nutzen. Die Revue setzt ihm nicht nur in einer der Schlussszenen ein Denkmal, als er mit Mondfahrer Neil Armstrong von oben auf die Welt schaut, und sagt, "Ich war einer von Euch". Sie tut es auch als Aufführung, die in seinem Geist gelungen ist. ae
Weitere Aufführungstermine: 2., 3. und 9. Oktober jeweils um 20 Uhr im Brunnenhof des Stadtmuseums Simeonstift.

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