Ein Ende als Anfang

In jedem Monat präsentiert TV-Reporter Andreas Feichtner seine persönlichen Konzert-Tipps. Im April wundert er sich, warum man sich im Rückblick auf die 80er Jahre vor allem an die Katastrophen erinnert.

 Kim Wilde kommt nach Luxemburg. Foto: Rockhal

Kim Wilde kommt nach Luxemburg. Foto: Rockhal

Trier. (AF) "Michael Ende, du hast mein Leben zerstört." Das sang die Hamburger Band "Tocotronic" einst. Ich habe es nie verstanden, fand es aber schön. Denn der Satz war konkret und zugleich rätselhaft. Er war rebellisch, klang aber auch angenehm nach Lange-im-Bett-bleiben und feinem Nichtstun, er roch nach Kindheit in den 80ern. Ende schlecht, alles schlecht? Na bestens! Ich hatte nie "Momo" gelesen oder gesehen. Graue Herren gibt's schließlich schon in der Realität mehr als genug.

Mein Aphorismus zu den Achtzigern fällt daher weniger lyrisch aus: Oliver Geissen, du hast mein Kleinhirn zersetzt. Denn eigentlich hatte das Jahrzehnt viel zu bieten. Man könnte sich an zeitlosen Pop erinnern. An The Smiths, Talk Talk, Depeche Mode oder - schon etwas früher - an The Cure. Vielleicht auch an das Aufbegehren im Metal: an Iron Maiden, Metallica, Slayer. Aber an wen denke ich als Erstes, dank der sinnfreien 80er-Chart-Shows mit den Balders und Geissens, die das Gehirn in Palmolive baden lassen? Im besten Fall noch an Nena. Aber eher an Samantha Fox, Sinitta oder gar Modern Talking. Das sollte hier eigentlich keine Rolle mehr spielen, weil das Jahrzehnt durchaus schon über Gebühr abgearbeitet wurde. Aber im April kommt man wieder nicht an den Erinnerungen vorbei. Kim Wilde hat etwa Gefallen daran gefunden, weiter die "Kids in America" zu besingen oder auch "Cambodia" (7. April, Rockhal ). Bei der französischen Band Nouvelle Vague, die schon mal in den Kaiserthermen für einen großen Abend gesorgt hatte, sieht es anders aus. Da werden Hits der 80er im ganz eigenen Nouvelle-Vague-Stil zu hören sein (15. April, Rockhal). Vom Klang der Vergangenheit inspiriert sind auch viele neue Bands - etwa die Franzosen Miss Kittin & The Hacker. Die kombinieren den gestrigen Synthie-Klang mit aktuellen Beats und zartem Gesang (27. April, Rockhal). Auch Simply Red, die Band von Mick Hucknall, schaffte in der Netzhemd-Dekade den Durchbruch. Simply Red wird am 19. April zum letzten Mal in der Region zu hören sein (Rockhal, ausverkauft). Hucknall hat angekündigt, Simply Red nach der Tour aufzulösen und solo weiterzumachen. Spannend werden dürfte auch der Auftritt einer US-Band: Sonic Youth gehören zu den ganz Großen im Alternative-Rock und haben 1991 auch Nirvana Starthilfe gegeben (25. April, Luxemburg, Atelier).

Auch in Trier werden im April Bands spielen, die ich wärmstens empfehlen kann - selbst, wenn sich deren Bekanntheitsgrad noch in Grenzen hält: Für popbeseelten wie verspielten Indie-Rock, der nach Tanzfläche schreit, steht "Dartz!". Die Band aus dem englischen Nordosten tritt am 17. April im Exhaus auf. Das wird wieder ein gutes "Mund-Halten!"-Argument gegen die ewigen Defätisten, die mittags noch über die popkulturelle Nichtigkeit Triers klagen ("Nix los!"), dann aber abends den Diskurs unbedingt in der ländlichen Großraum-Disse weiterführen wollen. Genauso empfehlenswert: Grand Archives aus Seattle spielen am 28. April im Variete Chat Noir: Das ist ein feiner Kammer-Pop, leichtherzig und unbeschwert. Wenn dann noch nicht der Frühling im Herzen angelangt ist, dann kommt er auch nicht mehr.

Zugabe!

Punk-Festival: "Heiter bis wolkig" spielen unter neuem Namen (Rote Ratten) beim Oster-Pogo-Festival mit etlichen weiteren Bands im Exhaus (12. April). Indie-/Elektronik-Festival: Für aufregende, aufstrebende Bands steht das "Out of the Crowd"-Festival. Bei der 6. Auflage in der Kulturfabrik Esch spielen am 18. April u.a. God is an Astronaut (großer Post-Rock aus Dublin) und Pivot. Auf dem Sprung? Der britische Songwriter Charlie Winston ist in Frankreich und Belgien bereits ein Star - dank des Hits "Like a Hobo". Wenn Winstons "myspace"-Seite nicht trügt, dürfte sein Gastspiel in Luxemburg (18. April, Rockhal) durchaus ein Erlebnis werden. Neue CD: The Shanes stellen ihr neues Album "Squandering Youth" am 30. April im Variete Chat Noir vor. Mehr: Rockhal Esch: 21.4. I AM X (Rockhal), 23.4. Mono, 26.4. Paolo Conte. Exhaus Trier: u.a. 28.4. The Toasters / Spy Kowlik.

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