Ein energiegeladener Faun macht Luftsprünge

Bernkastel-Wehlen · Ein wunderbares Konzert ließ im Kloster Machern die Hitze vergessen. Auf Einladung der Freunde des Mosel Musikfestivals spielten dort der Flötist Stefan Temmingh und sein Barockensemble The Gentleman\'s Flute Werke von Georg Friedrich Händel.

 Stefan Temmingh erweckt mit seiner Flöte das London des 18. Jahrhunderts zum Leben. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Stefan Temmingh erweckt mit seiner Flöte das London des 18. Jahrhunderts zum Leben. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Bernkastel-Wehlen. Wann hat uns die Musik ganz? Dann, wenn wir vergessen, dass der Saal eine Sauna ist, weil draußen die Hitze brütet und sogar die am Eingang fürsorglich ausgegebenen Wasserflaschen in der Tasche bleiben. So wie am Sonntag im Barocksaal des Klosters Machern. Dort machten Stefan Temmingh und sein Kammerensemble The Gentleman\'s Flute ihrem Publikum hinreißend klar, was Barock bedeutet: höchste Ekstase und tiefste Innerlichkeit, dazu eine unbändige Lust am großen Welttheater Leben.
Oben auf den Brettern, die die Welt bedeuten, stand der geniale junge Flötist mit den südafrikanisch-holländischen Wurzeln, ein moderner Gentleman, Faun voll Energie, Mutwille und Freude am Spiel. Hinter ihm: das himmelwärts weisende barocke Altarbild der Klosterkapelle. Der Rahmen konnte nicht besser gewählt sein. Die Flöte ist gleichermaßen Temminghs Instrument wie sein Meister. Was in ihm ist an Seele, Temperament und musikalischer Einsicht, übersetzt sie in Klangfiguren. Ihre Musik lässt ihn tanzen, wird zur Geste und Bewegung. Ihre Kapriolen lassen ihn Luftsprünge machen, ihr Flehen lässt ihn still werden. Und wenn ihre Melodien sehnsüchtig Schleifen in die Luft malen, dann reckt und windet sich auch Temmingh voller Leidenschaft.
Mit für Flöte umgeschriebenen Händel-Arien und Kammermusik des Barockmeisters musizierte das Ensemble auf seinen schönen Instrumenten. Viel Positives lässt sich über die Musiker berichten: Die Auswahl ihrer Stücke ist ebenso geschickt wie die Instrumentalisierung und die Wahl der Verzierungen. Vielfarbig und dialogfreudig ist ihr Spiel, wunderbar intim kann es sein oder ausgelassen. So wie Axel Wolfs wunderbare Laute, die zuweilen klingt, als ob sie ein Netz aus Silberfäden auslegt und dann wieder aufgeregt Aufruhr macht. Katharina Brahes Fagott kommt wie ein dicker fröhlicher Mensch daher. Atemberaubend schön: Loredana Gintolis feinnervige Barockharfe mit ihren perlenden Tönen in der herrlichen Sinfonia "Saul, HWV 53". Und natürlich Temminghs virtuoser Umgang mit seiner singenden und tanzenden Flöte.
All das war freilich nicht das Entscheidende an diesem wunderbaren Abend. Was ihn groß machte: Temmingh und sein Ensemble schafften es, nicht nur ein paar barocke Musikstücke musikalisch zu übertragen, sondern das Lebensgefühl einer vergangenen Epoche als lebendiges, gegenwärtiges Zeitgeschehen erlebbar zu machen. er
Eine Aufzeichnung des Eröffnungskonzerts des Mosel Musikfestivals mit Vadim Repin und der Deutschen Radio Philharmonie wird heute, 23. August, um 20.05 Uhr im Rahmen des ARDRadiofestivals ausgestrahlt. Auf dem Programm der Veranstaltung Ende Juni in der ehemaligen Abteikirche St. Maximin in Trier standen Werke von Carl Maria von Weber, Max Bruch und Anton Bruckner. Vom 16. Juli bis zum 10. September senden die Kulturradios der ARD abends ein gemeinsames Radioangebot. Während der acht Festivalwochen gibt es jeden Abend ein Programm mit klassischen Konzerten, Jazz, Lesungen, Hörspielen und Interviews. In der Region ist das Konzert über SWR 2 und SR 2 zu empfangen. red

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