Ein fast blindes Verständnis

TRIER. Seit mehr als zwei Jahren begeistern Eva-Maria Günschmann und Annette Johansson das Trierer Theaterpublikum - meist im Duett. Auch bei der nächsten Premiere, Mozarts "Così fan tutte", kommen die Sängerinnen im Doppelpack.

 Schon öfter ein Erfolgsgespann: Eva-Maria Günschmann als Hänsel (links) und Annette Johansson als Gretel in der Inszenierung der Humperdinck-Oper am Theater Trier.Foto: TV -Archiv/Willi Speicher

Schon öfter ein Erfolgsgespann: Eva-Maria Günschmann als Hänsel (links) und Annette Johansson als Gretel in der Inszenierung der Humperdinck-Oper am Theater Trier.Foto: TV -Archiv/Willi Speicher

Sie waren schon Geschwister, Freundinnen, Feindinnen, Verwandte. Und es wird nicht lange dauern, bis ihnen das Repertoire Auftritte als Rivalinnen oder Liebespaar beschert. Die lyrische Sopranistin und ihre Kollegin vom Mezzo-Fach sind im Musiktheater meistens gemeinsam unterwegs, egal ob als Hänsel und Gretel, Prinzessin und Gouvernante oder, wie demnächst in Trier, Dorabella und Fiordiligi.Eva-Maria Günschmann und Annette Johansson proben dieser Tage das Schwesternpaar, dem Mozart in Così fan tutte einen mehr oder minder freiwilligen Partnertausch zumutet. Selbst bei der "Sitzprobe", mitten in einem riesigen Kulissen-Chaos auf der Theaterbühne, stehen sie nebeneinander, mit Lesebrille und Schreibstift ausgerüstet und auf Gleichklang bedacht. Das sieht wirklich geschwisterlich aus, nicht zuletzt wegen der (nicht nur stimmlichen) Größe, die ihre männlichen Gegenparts bei der einen oder anderen früheren Produktion schon mal etwas zwergenhaft wirken ließ.Größe, nicht nur stimmlich

Die Opernwelt strotzt von Geschichten über Kleinkriege zwischen Sopranen und Mezzos. Die Primadonnen mit den hellen Stimmen dürfen im Glanzlicht der Bühne minutenlang tragische Tode sterben oder kriegen wenigstens den strahlenden Tenor-Helden. Mezzos müssen unterlegene Rivalinnen spielen, frustrierte Zicken oder gar Männer. Und wenn die Oper zu lang ist, streichen Regisseure und Dirigenten ihre Arien weg. "Alles Legenden", lacht Eva-Maria Günschmann, um gleich anschließend zu bestätigen, dass das mit den gestrichenen Arien "schon mal vorkommt". Sogar bei aktuellen Produktionen - Kollegin Johansson will's nicht glauben.Wer sich mit den beiden Sängerinnen unterhält, versteht schnell, warum ihnen auf der Bühne immer wieder einprägsame Rollengestaltungen gelingen. Da ist ein fast blindes Verständnis, gegründet auf eine intensive Auseinandersetzung mit den Figuren. "Bei Hänsel und Gretel wusste ich genau, was du machst, selbst wenn wir uns nicht sehen konnten", erinnert sich Johansson.Auch beim Interview klappt die nonverbale Kommunikation. Die Beantwortung der Frage, ob sie ihr Alter verraten wollen, erfordert nur einen kurzen Seitenblick: "Ach nee", sagt Eva-Maria Günsch- mann, "schreiben Sie, wir seien beide 25-einhalb".Der enge Personalbestand im kleinen Trierer Ensemble eröffnet ihnen die Möglichkeit, in wenigen Jahren ein breites Repertoire zu erarbeiten. Im Gegenzug ist aber auch Flexibilität gefragt - und die Bereitschaft, an die Grenze der stimmlichen und darstellerischen Möglichkeiten zu gehen. Während abends "Hänsel und Gretel" lief, musste morgens "Tiefland" geprobt werden, wo das Duo zwei garstige Freundinnen spielte. "Da ging der Vorhang für das Märchen auf, und ich war im Kopf noch die hässliche, missgünstige Figur aus Tiefland", erinnert sich "Hänsel" Günschmann.Eitel genug, um nicht hässlich aussehen zu wollen

Apropos "hässlich": Sie sei "eitel genug, um nicht hässlich aussehen zu wollen", sagt die Baden-Württembergerin. Aber wenn man sich dann auf eine "eklige Rolle" eingelassen habe, habe die Gestaltung geradezu etwas Befreiendes.Mit dem Äußeren hadert auch Annette Johansson gelegentlich. Zum Beispiel, wenn die dunkelhaarige Schwedin bei "Così fan tutte" als Blondine auftreten soll. Ansonsten freut sie sich auf die Rolle der Fiordiligi, die ihr lyrisches Repertoire in das "schwerere" Stimmfach weiter entwickelt. "Ich muss in diese Richtung gehen", sagt sie mit Blick auf die weitere Karriere.Günschmann und Johansson seien "jede für sich allein in der Lage, einen Abend zu tragen", betont Intendant Lukas-Kindermann - angesichts seiner Regie-Erfahrung an größeren Häusern fast so etwas wie der Ritterschlag. Aber der Markt sei zurzeit "ziemlich eng", glauben die Sängerinnen. Glück für das Trierer Haus, dem die beiden Leistungsträgerinnen vielleicht noch länger erhalten bleiben.Wenn's gut läuft, können sie ihre Traumrollen ja auch in Trier spielen: Johansson die Mimi in Puccinis Bohème und Günsch-mann Bizets Carmen. Da wäre beiden ein effektvoller Tod im Rampenlicht sicher.

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