Ein Gebet wie ein Tornado

Trier · Ein Gast aus den USA hat das fünfte der insgesamt acht Orgelkonzerten in der Konstantin-Basilika gestaltet. James Kibbie gelang es, wieder neue Klangaspekte der Eule-Orgel zu Gehör zu bringen.

Trier. Ausdrucksstarke Kompositionen hatte James Kibbie in seinem Programm für die große Orgel der Konstantin-Basilika vorgesehen. Mit Jean Alain und Charles Tournemire waren es Komponisten, die von den Ausführenden ein sehr hohes Maß an technischem Können verlangen, gepaart mit der Fähigkeit, tief in die Inhalte einzutauchen, die sich hinter dem Notentext verbergen. Gerade bei Tournemire war es außerdem ein Meister, der nur selten in Konzerten einen Platz findet.
Alain, der mit nur 29 Jahren, wenige Stunden vor dem Waffenstillstand in Frankreich noch ein Opfer des Zweiten Weltkrieges wurde, legte in seinen Werken immer großen Wert auf Farbigkeit und wandte sich oft von den traditionellen Formen der Registerauswahl ab. Kibbie bediente sich in den beiden Fantasien Alains, AWV 59 und 91, ausführlich bei den vielen Möglichkeiten, die ihm das Eule-Instrument zur Verfügung stellte. Eine der berühmtesten Kompositionen stellt freilich das "Litanies" von 1937 dar. Ein recht wildes Werk, bei dem der Komponist selbst sagt: Wenn man am Ende nicht erschöpft ist, hat man den Inhalt nicht verstanden und die "Litanies" falsch interpretiert. Ob Kibbie erschöpft war, ließ sich nicht feststellen, aber dem Anspruch, dass das dargestellte Gebet "wie ein Tornado" sein sollte, wurde er durchaus gerecht.
Eine farbige Klangrede prägte auch die drei ausgewählten Improvisationen von Tournemire, die Maurice Duruflé im Nachhinein aufgeschrieben und so der Nachwelt erhalten hat.
Besonders die "Cantilène" gestaltete Kibbie lyrisch, fast pastellhaft. Leider entfernte er sich von diesem Inhaltsreichtum, als er die Variationen über den Osterchoral "Victimae paschali laudes" von Jiri Ropek und die Fantasie über "O Zion, haste" des Amerikaners William Bolcom interpretierte. Besonders Bolcoms Werk ließ die vorhergehende Tiefe vermissen und zielte mehr auf Effekte ab. Am Ende applaudierte ein begeistertess Publikum. gkl

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