Ein großes Ausrufezeichen!

Trier · Olivier Messiaens "Vingt regards sur L\'Enfant-Jesus" gehören zu den größten und schwierigsten Zyklen der Klavierliteratur. Die Aufführung im Trierer Dommuseum erwies sich als pianistisches Glanzstück und zugleich als Großtat der Freunde künstlerischer Museumsveranstaltungen.

Trier. Lassen wir alle klingende Kulinarik, alle zuckrigen Christfest-Klischees und auch alle eingefahrenen Grundsätze von pianistischer Kultur weit hinter uns! Olivier Messiaen eröffnet mit den "Vingt regards" - den 20 Blicken/Betrachtungen über das Jesuskind - den Kosmos christlichen Denkens und Empfindens, ganz anders und ganz neu.
Der Zyklus ist geistliche Musik schlechthin, zärtlich bewegt, mystisch in sich gekehrt, tänzerisch ausgelassen, leidend, triumphierend, oft mit apokalyptischer Gewalt. Nichts bleibt übrig von religiösen Gefühlsschablonen, alles ist ungewöhnlich, bewegend, oft erschreckend, und der Zyklus endet mit einer Geste freudig-liebevoller Umarmung.
Und dazu Dorian Keilhack. Sein Klavierspiel bleibt auch in den dichtesten Passagen prägnant und transparent. Keilhack hält sich an Messiaens detaillierte Vorgaben zum Pedalgebrauch, zur Lautstärke-Abstufung der Stimmen, zur Tempogebung. Und weil er sich mit dieser Deutlichkeit des Musizierens von wabernder Religiosität distanziert, wird die echte Mystik in dieser Musik überragend deutlich. Wie viel Zärtlichkeit klingt mit, wenn das vierte Stück die Reinheit Mariens beschwört, welch umfassende Kraft, wenn das sechste die Schöpfergewalt Gottes in Klängen zu erfassen sucht!
Vielleicht bleibt am eher kleinen Flügel im Museum am Dom manches noch zu strukturell und einiges zu wenig assoziativ. Was Messiaen mitkomponiert hat, Glocken, Vogelrufe, Gregorianik und orientalischen Tanz, sogar Jagdhornklänge, geht häufig unter.
Und doch: Mit welch enormer Energie bleibt der Pianist bis zum Schluss präsent, meißelt Klanggestalten heraus, berührt in Spieltechnik und Lautstärke die Extreme, entdeckt die visionäre Kraft dieser Musik, ihre tiefste Religiosität. Was Messiaen geschrieben hat und Keilhack realisiert, verdichtet sich zu einem großen Ausrufezeichen im christlichen Bekenntnis: dass der ferne Gott Mensch geworden ist.
50 Besucher harrten fast zweieinhalb Stunden aus bis zum letzten Ton - fasziniert und tief bewegt. Eine Großtat, dieses Konzert! mö

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort