Ein Hirsch auf dem Siegeszug

LUXEMBURG. Kultur zu vermarkten wie die Fußball-Bundesliga oder eine Boygroup: Davon träumen hier zu Lande die meist eher brotlosen Kunst-Macher. Die Kulturhauptstadt 2007 lässt hingegen werbemäßig voll den Hirsch raus.

Das blaue Tier mit dem mächtigen Gehörn ziert inzwischen hunderte von Plätzen und Gebäuden in der ganzen Groß-Region. So begehrt ist der Hirsch, dass es hinter den Kulissen schon ein mächtiges Gerangel um die Frage gegeben haben soll, welche Kommune sich wie viele Exemplare sichern durfte. Ausgerechnet die Groß-Kulturstätte Theater Trier ging dabei leer aus und musste sich damit behelfen, ein - angesichts der fülligen Anatomie zuvor offenbar als Kuh eingesetztes - Plastik-Tier mit Geweih zu versehen, blau einzufärben und im Foyer aufzustellen.Komplette Produktlinie rund um das Wappentier

Der Siegeszug des anfangs eher belächelten (siehe nebenstehenden Artikel) Symbols ist nicht mehr aufzuhalten. So seht vertraut man in Luxemburg auf das Wappentier, dass man eine komplette Produktlinie um den Hirsch herum kreiert hat. Fast 50 verschiedene Merchandising-Artikel finden sich im Internet-Shop ( www.luxemburg2007.org) und in dem kleinen, knuffigen Andenkenladen, der im ehemaligen großherzoglichen Empfangs-Pavillon am Hauptbahnhof untergebracht ist. "Die Röhr-Dose ist der Renner", erzählt Verkäuferin Lucie Romane. "Boite à brame" heißt das in pyramidenartigen Stapeln aufgebaute Ding, das für 5,95 Euro brunftähnliche Geräusche erzeugt, wenn man es schüttelt. Ansonsten lässt sich mit dem Hirsch komfortabel der ganze Tag zubringen. Nach dem Aufstehen schlüpft man in die Hirsch-Badelatschen (9,50), trocknet sich mit dem Hirsch-Badetuch (9,50) ab, greift, je nach Geschmack, zum Hirsch-Teeservice (29,50) oder zur Hirsch-Kaffeetasse (9,90). Man bekleidet sich mit dem passenden T-Shirt (15 Euro), veredelt das Outfit mit dem schicken Schal (49,50) oder der eleganten Krawatte (39 Euro), schlüpft in die trendigen Flip-Flops (15 Euro), vergisst tunlichst nicht den Regenschirm (12,50), das Multifunktionstaschenmesser (7 Euro), den Schlüsselanhänger (3 Euro) und die Uhr (19,50), packt alles in die Tasche (2 Euro) und macht sich auf den Weg. Hirsch-Wein und Nudeln zum Abendessen

Was immer noch kommen mag: Mit Kugelschreiber, Block, Lesezeichen, Mousepad, Farbstiften und Briefbeschwerer ist man für alle Eventualitäten des Tages gerüstet. Und zum Abendessen empfehlen sich die Nudeln in Hirschform zum Original-Hirsch-Wein von der Moselle. Der Kreativität der Marketing-Leute waren offenbar keine Grenzen gesetzt. "Wir haben das Merchandising im letzten Mai ausgeschrieben", erzählt Thierry Wunsch, Vermarktungs-Chef der Kulturhauptstadt. Unter etlichen Bewerbern - darunter auch Firmen aus der Region Trier - bekam das Luxemburger Unternehmen Museal S.A. den Zuschlag. Aus über 100 Vorschlägen wurde die Produktpalette zusammengestellt. Museal vertreibt das Hirsch-Ragout auf eigenen Deckel, die Generalkoordination erhält lediglich eine eher bescheidene Lizenzgebühr pro verkauftem Exemplar. Die Luxemburger können sich leisten, die Kulturhauptstadt-Kosten ohne große Merchandising-Einnahmen zu kalkulieren. "Es ist eher eine PR-Maßnahme als eine Einnahmequelle", sagt Thierry Wunsch. Und damit letztlich doch etwas völlig anderes als bei Fußball-Vereinen oder Boygroups. Trotzdem will man das Geschäft nach ersten guten Erfahrungen im Dezember auf die gesamte Großregion ausdehnen. "Es ist bisher klasse gelaufen", versichert Wunsch. Und auch Lucie Romane kann sich über mangelnde Kundschaft nicht beklagen. Neben der röhrenden Hirschdose seien vor allem T-Shirts und Taschen gefragt, berichtet sie lachend. Die soll es ab März auch in Trier geben. Wie in Luxemburg dürfen dann geeignete Geschäfte ein Auswahl-Sortiment der 2007-Produkte anbieten. Natürlich alles nur echt mit dem Hirsch. Nicht ganz echt ist dagegen ein Vorschlag des Luxemburger Satiremagazins "Feierkrop": Die frechen Blattmacher haben unlängst vorgeschlagen, den Löwen im großherzoglichen Staatswappen durch einen Hirsch zu ersetzen.

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