Ein Jungstar an der Geige und eine Legende

Trier · Von Nostalgie keine Spur. 30 Jahre nach seiner Gründung erspart sich das Mosel Musikfestival verklärende Rückblicke. Intendant Hermann Lewen und sein Team behalten für das Jubiläumsprogramm 2015, unter anderem mit Klavierlegende Alfred Brendel, aktuelle Trends im Visier. Neuerdings findet man sogar im Internet exzellente junge Künstler.

Trier. Da soll mal einer etwas gegen die modernen Kommunikationsmittel sagen! Beim Blick ins Internet, genauer gesagt auf die Videoplattform YouTube, hat Hermann Lewen, Intendant des Mosel Musikfestivals (MMF), einen exzellenten jungen Musiker entdeckt - und ihn gleich für die 30. Ausgabe der Musikfestspiele vom 17. Juli bis 3. Oktober engagiert.
Der Russe Roman Kim gilt als Senkrechtstarter unter den Geigern. Sein Manager Rafael Schwarzstein erhofft sich vom Engagement beim MMF einen Karriereschub für den 23-Jährigen. Denn das MMF habe ein interessiertes Publikum und enorme Breitenwirkung und Hermann Lewen zudem wichtige Kontakte zu Veranstaltern. Der Jungstar Nummer eins tat sich bei der Programmvorstellung für 2015 gleich mit Jungstar Nummer zwei zusammen, der koreanischen Pianistin Younee. Die spielte zu Kims Paganini-Vortrag die Klavierbegleitung und lieferte danach als Solistin Beethoven in einer zeitgemäßen Jazz-Paraphrase.
1400 Konzerte, 80 Spielorte


30 Jahre Festival an der Mosel - da blieben selbstverständlich die Lobreden nicht aus. 1400 Konzerte an über 80 Spielstätten und an die 400 000 zahlende Besucher bilanzierte Intendant Lewen sichtlich stolz (siehe Hintergrund). Und Aufsichtsratsvorsitzender Thomas Egger resümierte: "Die Neuaufstellung des Festivals 2013 hat sich bewährt."
Damals wurden die Städte Trier und Bernkastel-Kues zu Hauptgesellschaftern, auch die Landkreise Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich, Bitburg-Prüm, Cochem-Zell und Mayen-Koblenz beteiligten sich an der gemeinnützigen Veranstaltungsgesellschaft mbH. Schließlich kamen auch Vertreter der Hauptsponsoren JTI, Sparkasse Trier und Sparkasse Mittelmosel zu Wort und bekräftigten ihre Verbundenheit mit dem MMF und der heimischen Kultur.
Zum neuen Programm wollten Hermann Lewen gar nicht genug Superlative einfallen. Formulierungen wie "ganz besonders", sensationell", "angesagtester Künstler", "unglaubliches Ensemble" häuften sich. Fest steht: Das MMF hält sich nicht an ein verengtes Programmkonzept und schon gar nicht an eine stilistische Doktrin, sondern breitet eine enorm große Palette aus - eine Art Musikbaukasten, aus dem jeder nach Stilpräferenz, Jahreszeit und Entfernung vom Wohnort sein eigenes Programm zusammenstellen kann. Die breite Streuung der Veranstaltungen - stilistisch und auch räumlich - ist wohl das Erfolgsrezept des MMF. Wer immer an Musik interessiert ist, wird wohl auch 2015 fündig.

Für Orgelfreunde: Auch beim MMF ist die neue Trierer Basilika-Orgel präsent. Der Internationale Orgelsommer im Juli/August ist Teil des Programms. Außerdem findet im Juli die traditionelle Orgelwanderfahrt statt, und das Festival klingt mit der Orgelsinfonie von Alexandre Guilmant in der Konstantin-Basilika aus. Überhaupt: Von der neuen Orgel war Lewen "gänsehautmäßig beeindruckt". Und wagte gleich eine Prognose für die nächsten Basilika-Konzerte: "Im Dezember werden 5000 bis 8000 Menschen diese Orgel hören."

Für Liebhaber von Chor- und Sologesang: Gleich fünfmal stehen große Oratorien auf dem Programm, darunter Beethovens "Missa solemnis" und das monumentale "Te Deum" von Hector Berlioz. Außerdem gastieren A-cappella-Ensembles wie das Ensemble Nobiles und die sechsköpfige Frauen-Formation Sjaella aus Schweden. Mit Klaus Mertens und Simone Kermes kommen zudem zwei exquisite Solisten.

Für Freiluft-Fanatiker: "Brass im Wingert", "Maybebop", "Quadro Nuevo", SWR Big Band, Big Band der Bundeswehr - Konzerte unter freiem Himmel bleiben ein Thema. Wobei die Oratorien-Aufführungen vorsichtshalber drinnen stattfinden.

Für Crossover-Anhänger "Gentlemen of Swing", "Spark", "Bach im Liegestuhl", "Vivaldi recomposed", "Der Klang von Wien", "Jugendstil" - Konzerte für alle, die Klassik mögen, aber sich nicht darauf festlegen. Ob sich in diesem Sektor das stilistische Profil noch straffen lässt, bleibt offen.

Für Freunde der leisen Töne: In unüblich großer Zahl gibt es auch Solo- und Kammerkonzerte. Etwa mit Klavierlegende Alfred Brendel als Mentor des jungen Kit Armstrong. Die Camerata Cusana mit "Cello plus", Liedlegenden mit der Mezzosopranistin Ileana Mateescu, die Harfenistin Silke Aichhorn, den Internationalen Klaviersommer, Martin Stadtfeld oder dessen Klavierkollegin Olga Scheps. Ein Bonbon: Heiko und Ralf Hansjosten vierhändig am historischen Hammerflügel.
Der Vorverkauf für 2015 ist gestartet. Komplettes Programm: <%LINK auto="true" href="http://www.moselmusikfestival.de" class="more" text="www.moselmusikfestival.de"%>
Extra

Das Mosel Musikfestival ist die älteste und größte Klassik-Musikreihe in Rheinland-Pfalz. Ein paar Zahlen und Fakten zum Festival, das bisher insgesamt rund 400 000 Besucher bei 1400 Konzerten gezählt hat: Gründungsjahr: 1985 Budget 2015: 970 000 Euro Zahl der Besucher 2014: 12 000 Dauer: 17. Juli bis 3. Oktober 2015 Zahl der Konzerte 2015: 57 Spielorte 2015: 41 Gesellschafter: Die Städte Trier und Bernkastel-Kues sowie die Kreise Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich, Cochem-Zell und Mayen-Koblenz dpa

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