Ein Konzertsaal und zwei Systeme

TRIER. Sowohl die "Kammermusikalische Vereinigung" Trier als auch die Mainzer Landesstiftung "Villa Musica" veranstalten im Trierer Kurfürstlichen Palais Kammerkonzerte. Das war in der Vergangenheit eine Quelle von Konflikten. Mittlerweile haben sich beide Veranstalter arrangiert.

Der Ton war zeitweise unfreundlich geworden. Von der "geballten Staatsmacht" sprach Hanspeter Hilgers, Vorsitzender der "Kammermusikalischen Vereinigung" Trier in einem Brief an Kurt Karst, Geschäftsführer der "Villa Musica". Der beklagte im kleinen Kreise die mangelnde Flexibilität des ehemaligen Jugendrichters und engagierten Musikfreunds. Bei den völlig gegensätzlichen Strukturen erstaunen solche Konflikte nicht. Während die Mainzer Landesstiftung ihre Konzerte im Kurfürstlichen Palais mit Staatsgeldern veranstaltet, kommt die "Kammermusikalische Vereinigung" in ihren fünf Palais-Konzerten völlig ohne Subventionen aus. Ein Konzertsaal und zwei Systeme. Wer da im Streitfall den Kürzeren zieht, lässt sich unschwer ausmalen.Klug entzerrt ein reichhaltiges Angebot

Mittlerweile hat sich der "brüchige Burgfriede" (TV, 8. September 2004) deutlich gefestigt. Die Kontrahenten sind aufeinander zugegangen, und die "Villa Musica" hat zudem eine möglicherweise angedachte Vermehrung ihrer Konzerte unterlassen. Die Termine liegen jetzt so weit auseinander, dass die Gefahr gegenseitiger Zuhörer-Abwerbung gegen Null tendiert. Klug entzerrt steht jetzt ein quantitativ und qualitativ reiches Angebot bereit. Die Kammermusikalische Vereinigung konzentriert sich auf Winter und Frühjahr und startete am Mittwoch mit dem "Keller-Quartett" aus Ungarn - ein angesehenes und für seine Einspielung von Bachs "Kunst der Fuge" hoch gelobtes Ensemble. Auch den übrigen Interpreten eilt ein hervorragender Ruf voraus. Der Geiger Kolja Blacher, vor Jahren schon Gast im Trierer Sinfoniekonzert, gehört mit seinem Begleiter Bruno Canino ebenso zur Spitze wie das "Diaphonia"-Bläserquintett und die "Amati"- und "Schostakowitsch"-Streichquartette. Die Programme vermeiden zudem wohlfeilen Populismus und bieten neben dem klassischen Repertoire auch Musik von György Ligeti, Dimitri Schostakowitsch und vom ehemaligen Kölner Musikhochschuldirektor Walter Braunfels an, der von den Nazis ins Exil vertrieben wurde. In weisem Zeitabstand zur Kammermusikalischen Vereinigung präsentiert auch die "Villa Musica" künstlerische Entdeckungen. Zum Start am 3. Dezember liefert das "Streichquartett Villa Musica" neben Haydn zwei Quartette des renommierten Mainzer Zeitgenossen Volker David Kirchner. Unter dem Titel "In Freundschaft" spielt das "Ensemble Villa Musica" am 5. Mai unter anderem die "FAE-Sonate" (FAE: frei, aber einsam), ein Gemeinschaftswerk von Robert Schumann, Johannes Brahms und Albert Dietrich. Eine Klippe wurde elegant umschifft

Die Stipendiaten, die normalerweise zum System der "Villa Musica" mit seiner Verbindung aus Kursen und Konzerten gehören, sind diesmal nicht dabei. "Reiner Zufall", sagt Geschäftsführer Kurt Karst und lobt im selben Atemzug das "First-Class-Angebot" seines Betriebs. Immerhin treten in einem Konzert drei Ehemalige auf - mittlerweile längst auf den besten Orchesterstellen der Republik. Das "Trio Echnaton" mit Wolfgang Brandl, Violine, Sebastian Krunnies, Viola, und Frank-Michael Guthmann, Cello, spielt am 11. Juni Beethovens Streichtrio op. 9. Eine Klippe hat die "Villa Musica" elegant umschifft. Am 23. Oktober, in gefährlicher Zeitnähe zum Start der Kammermusikalischen Vereinigung, bietet sie einen Liederabend über das gleichermaßen reizvolle und brisante Thema "Robert und Clara Schumann" an, begibt sich dazu aber in die Synagoge Schweich. Was gleich einen weiteren Vorzug hat: Die Mainzer Stiftung ist einmal mehr in dem geschichts- und kulturträchtigen Saal am Moseldreieck präsent.

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