Trier Ein Kraftfeld und imaginäre Räume
Trier · Das Theater Trier zeigt zwei neue Tanzproduktionen in der Europäischen Kunstakademie Trier.
Gleich zwei Uraufführungen präsentiert die Tanzsparte des Theaters Trier mit ihren beiden neuen Produktionen „Clip“ (Choreografie Urs Dietrich) und „High Performance“ (Choreografie Felix Bürkle). Im Doppelpack sind sie am Samstag in der Europäischen Kunstakademie zu sehen.
Gezeigt werden zwei Choreografien, deren Sprache und Ästhetik kaum unterschiedlicher sein könnten, die sich aber dennoch beide auf ihre Art mit dem auseinandersetzen, was die Welt im Innersten bewegt, zusammenhält und verstört. Der Mensch sei nur noch ein Leistungssubjekt, stellte der in Berlin lebende koreanische Philosoph Byung-Chul Han fest. Er sei ein Sklave seiner Selbstausbeutung und getrieben vom unendlichen Optimierungswahn aller Lebensbereiche. Auch Felix Bürkle beobachtet allerorts solchen gesellschaftlichen Leistungsdruck wie den Zwang, die eigene Performance ständig zu verbessern.
„Alles unterliegt dem Druck, eine möglichst perfekte Performance zu liefern“, erklärt der 1975 geborene Choreograf, der an der Folkwang Universität der Künste in Essen studierte und inzwischen eine internationale Karriere vorzuweisen hat. Ursprünglich hatte die Performance einen offenen, vorübergehenden künstlerischen Prozess bezeichnet. Inzwischen ist das Wort auch in die Begrifflichkeit der Wirtschaft und ihrer Ertragserwartung übergegangen. In seiner Trierer Arbeit führt Bürkle den Begriff auf seinen künstlerischen Ursprung zurück. Seine „High Performance“ ist ein interaktives energetisches Kraftfeld aus Musik, Pendelbewegungen und den Bewegungen von Tänzerkörpern. Die Musik dazu ist in Kooperation mit Philipp Ludwig Stangl entstanden, der als Professor an der Hochschule für Musik und Gestaltung Mannheim künstlerische Medienpraxis und audiovisuelle Gestaltung lehrt.
Bürkles Performance, die als Kunstform einzig Bild ist und losgelöst von allen konkreten Bezügen, kann natürlich auch als Modell einer Gesellschaft gelesen werden. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Für den Choreografen ist entscheidend: „Ich möchte mit meiner Choreografie gleichermaßen für jeden Zuschauer und jeden Darsteller Erfahrungsräume öffnen“.
Das gilt auch für Urs Dietrich. Laut dem Kulturkritiker Byung-Chul Han vernichtet der hemmungslose Wahn, alles und jedes sichtbar zu machen ( der Philosoph spricht von der „pornografischen Dauerpräsenz des Sichtbaren“) das Imaginäre. Als Anwalt wie Spurensucher des Imaginären und Geheimnisvollen ist seit jeher der ebenfalls in Berlin lebende Schweizer Urs Dietrich unterwegs. Was der international renommierte Choreograf an mysteriösen Zeitgeräuschen, Erschütterungen und seelischen Schwingungen wahrnimmt, veräußert er in eindrucksvollen Bildern, ohne dabei das Erlebte zu banalisieren oder zu entzaubern. Im Gegenteil: Was Dietrich, der stets auf dem Weg ist ins Innere der Welt und der menschlichen Natur, entdeckt, überformt er zu neuen Bildern, die er in imaginären Räumen verortet und die neue Suche nötig machen.
Mit „Clip“ hat Dietrich einen poetischen Zyklus an geheimnisvollen Episoden geschaffen, in denen sich Mensch und Natur begegnen, und in dem die Zuschauer selbst aufgerufen sind, sich als Spurensucher zu betätigen und dem Erlebten im eigenen Innern nachzuspüren.
Uraufführung/Premiere ist am Samstag, 20. Januar, 19.30 Uhr in der Europäischen Kunstakademie Trier. Weitere Aufführungen sind am 25. und 26. Januar, 22. und 24. Februar, 2., 4. und 7. März, jeweils um 19.30 Uhr.