Ein Künstler, der Vertrautes neu zusammensetzt

Wittlich · Michael Triegel ist ein Vertreter der Neuen Leipziger Schule. Er porträtierte Papst Benedikt XVI., der ihn "mein Raffael" nannte. Einen auf Druckgrafiken und Aquarelle konzentrierten Ausschnitt seiner Kunst zeigt jetzt die Galerie Bose in Wittlich unter dem Titel "Ganz Handwerk und ganz Mirabile".

 In Wittlich zeigt Michael Triegel Grafiken, die, anders als seine zeitaufwendigen Gemälde, spielerische und experimentelle Herangehensweise ermöglichen, aber auch stets von der Figur ausgehen. TV-Foto: Anke Emmerling

In Wittlich zeigt Michael Triegel Grafiken, die, anders als seine zeitaufwendigen Gemälde, spielerische und experimentelle Herangehensweise ermöglichen, aber auch stets von der Figur ausgehen. TV-Foto: Anke Emmerling

Wittlich. Den mit 43 Jahren recht jungen Michael Triegel vor Augen drängt sich ein "Nanu?" beim nur flüchtigen Blick auf seine Bilder auf. Denn vordergründig wirken die Blätter wie der Werkstatt eines Raffael oder Leonardo entsprungen. Auch Titel und figürlich-gegenständliche Motive wie "Luzifer", "Prometheus" oder "Persephone" sind nicht unbedingt das, was man von einem zeitgenössischen Künstler erwartet.
Nicht zuletzt deshalb ist Triegel umstritten, manche bezeichnen ihn als "Kunstreaktionär". Doch das hieße, ihn gründlich misszuverstehen. "Das vermeintlich Alte kann als überraschend neu wahrgenommen werden, weil es schon vergessen ist", sagt Triegel. Und das gilt bei ihm für Inhalt wie künstlerische Sprache.
Mit der Hinwendung zu Motiven der christlichen Lehre oder der klassischen Mythologie spürt er Archetypen nach, hinterfragt sie, auch im Hinblick auf Gültigkeit in unserer von Rationalität bestimmten Welt. "Ich male aus Sehnsucht und Zweifel. Beispielsweise würde ich gerne glauben, kann es aber nicht." Deshalb offenbart der zweite, tiefere Blick auf seine Bilder auch eine ganz andere Dimension. Man entdeckt, dass vordergründig aus der Kunstgeschichte Vertrautes aus Fragmenten verschiedener Motive und Zeiten zusammengesetzt und damit verwandelt worden ist. Es entstehen neue Beziehungen, Verweise oder gar gegenteilige Aussagen, die sich aber nicht rational entschlüsseln lassen. Seinen Ansatz erklärt Triegel aus seiner Biografie. Aufgewachsen in der grau-nüchternen DDR, während der Schulzeit gefüttert mit Marx, Engels, Lenin und umgeben von der Kunst des sozialistischen Realismus habe er das Bedürfnis nach einer Gegenwelt gehabt.
Er habe Nietzsche, Platon und Plotin gelesen und sich der opulenten Ästhetik der Renaissance zugewandt. Dort sind auch die Vorbilder für seine Techniken zu finden, aufwendige Schichtung von Öllasuren in der Malerei, Kaltnadelradierungen, Strichätzung und Mezzotinto im zeichnerischen Werk. Das von ihm meisterhaft beherrschte, heute vielerorts nicht mehr gelehrte Handwerk ist für ihn kein Selbstzweck, sondern adäquates Transportmittel für die Inhalte: "Eine Idee ist an eine Sprache gebunden". Anfeindungen, seine Kunst sei nicht modern, pariert er mit Gegenfragen: "Ist Moderne ein Wert? Hat nicht die Moderne auch aus längst Vergessenem geschöpft?"
Und wer mit "Moderne" Tabubrüche meint, bekommt zu hören: "Ich male figürlich, altmeisterlich und den Papst - mehr Tabubruch geht nicht!" ae
Die Ausstellung "Ganz Handwerk und ganz Mirabile" mit Zeichnungen und Aquarellen von Michael Triegel ist noch bis zum 15. Januar 2012 in der Galerie Bose in Wittlich, Alte Chaussee 27, zu sehen. Öffnungszeiten, dienstags bis freitags 15 - 19 Uhr, samstags 10 - 17 Uhr und nach Vereinbarung, Telefon 06571/27379.

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