Ein Leittier macht Karriere

Als im März 2005 der blaue Hirsch als Symbol der Kulturhauptstadt vorgestellt wurde, gab es ein heftiges Raunen. Allerdings nicht überall: Im französischen Sprachraum kennt man die Assoziation des Waldtiers mit Spießigkeit und Hinterwäldlertum, anders als in Deutschland, nicht.

So konnte man sich dort schnell mit dem Ergebnis des großen Wettbewerbs anfreunden, an dem sich 66 Agenturen mit 184 Ideen beteiligt hatten. Anderen fiel es schwerer, mit dem Entwurf der Luxemburger Agentur "Bizart" umzugehen. Er habe "anfangs gedacht: nur über meine Leiche", bekennt 2007-Chef-Organisator Robert Garcia. Inzwischen hat er sich mit dem Rotwild angefreundet, nicht nur wegen der ewigen Fragen auf allen Pressekonferenzen. Der Hirsch sei als wanderndes, grenzüberschreitendes Tier mit riesigen Revieren eine passende Assoziation für die veranstaltende Großregion, sagt Garcia. Blau als Farbe der Fantasie habe man ausgewählt, um zum Träumen anzuregen. Kultur und Bodenständiges also in einem Symbol. Gerade die Gegenständlichkeit hat für eine schnelle Popularisierung gesorgt. Hauptstadt-Hirsche gibt es in unzähligen Varianten, gezeichnet, karikiert, computeranimiert, als Plastik, aus Metall. Aber nicht nur bei den Bürgern hat er sich durchgesetzt, auch beim Feuilleton. Der Hirsch sei der "Ideal-Europäer", schrieb etwa die Berliner Zeitung. Und die "Welt" adelte den blauen Gesellen gar zum "Leittier Europas".Dieter Lintz

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