Ein moderner Hofnarr

Trier · Der wohl schillerndste Paradiesvogel der deutschen Comedy-Szene, Kay Ray, hat im Casino eine fast vierstündige anarchische Ausnahme-Show geboten. Angestachelt von einem Publikum, das sowohl seine Philosophie "einfach Spaß haben" als auch deren Umsetzung in derbsten schwarzen Humor feierte, ließ er buchstäblich keine Entblößung aus.

 Nicht mehr vollständig kostümiert, aber immerhin noch angezogen: Kay Ray im Casino. TV-Foto: Anke Emmerling

Nicht mehr vollständig kostümiert, aber immerhin noch angezogen: Kay Ray im Casino. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Haarspray-Wolke und Kult-Nimbus umwehen den ehemaligen Friseur Kay Ray, als er mit abstehenden Haaren, dickem Make-up und einem zwischen martialischem Fantasy-Held und Tunte angesiedelten Kostüm die Bühne betritt. Mit Blick und Gestus einer Diva greift er vor 160 Zuschauern im voll besetzten Casino-Saal zum Mikrofon, singt Billy Joels "Piano Man" und macht schon hier unmissverständlich klar, dass er ein Vollblut-Exhibitionist ist, kurz das, was man Rampensau nennt.
Besonders kultiviert er den zweiten Teil dieses Wortes, denn ab jetzt prasseln Gags und Zoten, die gezielt jenseits des guten Geschmacks und am liebsten unterhalb der Gürtellinie angesiedelt sind. Mit diabolischer Lust an Provokation erzählt er Blondinen-, Behinderten-, Ausländer-, Schwulen- oder Contergan-Witze und bricht dabei sämtliche Tabus.
Gleichzeitig aber entblößt er doppelbödige Moral: Leute aus allen Schichten trügen ihm die Witze mit der Bemerkung "Darf man eigentlich nicht erzählen" zu. "Aber wenn die das hinter vorgehaltener Hand können, kann ich es auch auf der Bühne tun". Dann fordert er in einer urkomischen Milva-Parodie Freiheit der Gedanken und Freiheit für bedingungslosen Spaß, der sich selbst reguliere: "Wenn Christen Witze über Juden machen und die es umgekehrt tun, ist es doch okay."
Egal, was Kay Ray sagt, tut oder mit spontan gedichteten Texten singt, das Publikum lacht und johlt. Zumal er sich beim Austeilen mit entwaffnender Ehrlichkeit auch immer selbst bedenkt: "Sie glauben, Mario Barth sei ordinär? Ich bin Super-Mario."
Es entsteht eine aufgeheizte Atmosphäre, die zusammen mit Bier- und Wodka-Spenden die Spontaneität und Selbstberauschung des nun auch schon vom Qualm seiner Zigaretten umnebelten Künstlers anstachelt. Schließlich entblößt er sich selbst und spielt "Puppentheater" mit seinen Genitalien. Das wird eigentlich nur noch vom öffentlichen Urinieren in einen Eimer getoppt.
Am Ende dieses Achterbahn-Abends bleibt das Bild eines Hofnarren, der sich herausnimmt, was anderen die Etikette verbietet, ihnen aber gleichzeitig den Spiegel vorhält. Treffend ist auf jeden Fall Kay Rays eigene Schlussbemerkung: "Was Sie hier gesehen haben, ist absolut authentisch, das kann man nicht abspulen. Ob es gut ist oder schlecht, sei dahingestellt."

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