Ein sicherer Hafen in turbulenter Zeit

rier · Ein umjubeltes Neujahrskonzert voller Esprit und positiver Energie haben Generalmusikdirektor (GMD) Victor Puhl, sein Philharmonisches Orchester des Theaters Trier, die Solisten und Moderatorin Barbara Ullmann mit Melodien von Strauss über Kálmán bis Bernstein abgeliefert.

 Sichere Nummer: Die Solisten des Neujahrskonzerts. Foto: privat

Sichere Nummer: Die Solisten des Neujahrskonzerts. Foto: privat

Foto: (g_kultur

Trier. Nach einem Jahr 2016, das neben furchtbaren kriegerischen Auseinandersetzungen, erstarkendem Populismus und dem Tod einiger herausragender Musiker auch von Turbulenzen und Negativschlagzeilen rund um das Trierer Theater geprägt war, ist die Sehnsucht der Besucher des Neujahrskonzertes nach etwas Positivem und nach Ablenkung quasi mit den Händen greifbar.
Die über 600 Zuschauer im rappelvollen Großen Haus zeigen sich hocherfreut, dass die Künstler um GMD Victor Puhl mit ihren klassischen Operettenmelodien bewährte und sichere musikalische Pfade beschreiten und einfach nur Freude bereiten wollen. "Wir lassen uns nicht unterkriegen", scheint das Motto des Abends zu sein und wem bei "Auch ich war einst ein feiner Csàrdàskavalier" aus Emmerich Kálmáns Gräfin Mariza (herausragend gesungen von Gast-Tenor Thorsten Büttner) nicht die Gänsehaut oder gar ein Tränchen überkommt, scheint aus Stein zu sein.
Überhaupt, die Solisten: Eva-Maria Ammann ist seit eineinhalb Jahren am Augustinerhof und beweist auch am Neujahrsabend ihre Klasse. Ihr klarer und kraftvoller Sopran erstrahlt besonders beim "Vilja Lied" aus "Die lustige Witwe" und "Klänge der Heimat" ("Die Fledermaus"). Auch Frauke Burg ist längst im Trierer Ensemble angekommen, trotz Kehlkopfentzündung singt sie ihre Partien mit Bravour und beweist damit nicht nur Engagement und Identifikation mit Theater und Stadt, sondern auch Klasse. Berührend gerät das Duett "Komm mit nach Varasdin" (Gräfin Mariza) mit dem hervorragend disponierten Thorsten Büttner.
Moderatorin Barbara Ullmann, sichere Bank und Publikumsliebling des Trierer Schauspiels, schlägt in gewohnt souveräner Manier einen Bogen zwischen den einzelnen Liedern von Johann Strauss II, Franz Léhar, Leo Délibes, Leroy Anderson und Leonard Bernstein, der übrigens einer der Lehrmeister des GMD gewesen ist.
Sie konstruiert eine Operettengeschichte voll ironischem Esprit, die einmal rund um die ganze Welt führt und in einer Operetten-Version von Georg Kreislers berühmten Opern-Boogie gipfelt.
Victor Puhl und sein Orchester zu loben gleicht dem Versuch, die sprichwörtlichen Eulen nach Athen zu tragen: Der Dirigent und sein Orchester sind der unangreifbare Hafen in schwierigen Trierer Theater-Zeiten. Sie musizieren mit einer Brillanz, Spielfreude, Energie und dem Neujahrskonzert innewohnenden Optimismus, dass es herzerfrischend ist.
Kleinste Missgeschicke erfreuen sogar das Publikum; erstens, weil sie so selten vorkommen und zweitens, weil sie zeigen, dass hier Menschen aus Fleisch und Blut mit großer Hingabe ihrem Beruf nachgehen.
Und das hat es auch seit Jahren nicht mehr gegeben: Nach dem obligatorischen Radetzky-Marsch als dritter(!) Zugabe, erheben sich die 600 im Saal wie ein Mann und spenden stehend Applaus und Bravo-Rufe! red

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