Eine Ausstellung aus dem Nähkästchen

Trier · "Langes Fädchen, faules Mädchen", pflegte Oma tadelnd zu sagen, wenn unsereins mal wieder einen Knopf mit einem halben Meter Faden annähte, um das lästige Einfädeln zu sparen. Dass Omas Spruch nach nur die Mädchen bei der Garnverwendung faul sind, ist wohl in erster Linie dem Reim geschuldet.

 Roswitha Baumeister mit ihrem Turbanturm. TV-Foto:Eva-Maria Reuther

Roswitha Baumeister mit ihrem Turbanturm. TV-Foto:Eva-Maria Reuther

Foto: Eva-Maria Reuther (er) ("TV-Upload Reuther"

Schließlich nähen seit alters her nicht nur Frauen. Das bestätigt auch Roswitha Baumeister. Die Berliner Bildhauerin plaudert in ihrer Trierer Ausstellung ebenso informativ wie unterhaltsam aus dem Nähkästchen.
"Ich will die ganze Ambivalenz der Nadel zeigen", sagt die Künstlerin mit dem malerisch orangenen Turban, die seit 40 Jahren in der Hauptstadt lebt. Soldaten, berichtet die 1954 geborene Triererin, mussten noch bis vor kurzem ihre Uniformknöpfe selbst annähen. Und auch als Schneider gehen Männer bekanntermaßen seit alters her virtuos mit Nadel und Faden um. Tatsache ist allerdings auch, weiß Baumeister, dass das Nähen traditionell als Attribut der guten Hausfrau gilt, weshalb Mädchen beizeiten üben mussten, was später zu ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter gehörte. Gleich eingangs hat die Künstlerin Omas Sinnspruch in einer ebenso eindrücklichen wie poetischen Wandinstallation künstlerisch überformt.
Lange farbige Fäden hängen wie Frauenhaar aus zahllosen Nadelöhren. In ihnen scheinen sich unzählige Geschichten vom Nähen zu verbergen. Seit langem sammelt die Künstlerin Nähnadeln. Was sie gefunden hat, ist in den Vitrinen ausgestellt. Aber nicht nur das. Roswitha Baumeister setzt sich auch sonst mit der Alltagswelt künstlerisch auseinander. In ihren Projekten zur Kunst im öffentlichen Raum engagiert sie sich in der Erinnerungs- und Gedenkarbeit oder für Frauenrechte. Der Begriff der Kunst als "soziale Plastik" ist ihr nah. "Ja", nickt die Künstlerin, "Kunst bedeutet für mich auch immer gesellschaftliche Auseinandersetzung. Das gilt im großen gesellschaftlichen Zusammenhang wie im privaten."
So wie bei ihrer Turban-Reflexion. Die Kopfbedeckung ist für die seit jeher haarlose Künstlerin ein unverzichtbares Requisit ihres Alltags. Je nach Kleidung, Anlass und Stimmung wählt sie Farbe, Stoff und Muster des unverzichtbaren Textils. In Trier hat sie ihre vielfältigen Turbane als hohen Turm inszeniert. er

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