Eine Brieftaube für Sibirien

Der Komponist Arvo Pärt ist am 11. September 75 Jahre alt geworden. Grund genug für die Solistes Européens Luxembourg (SEL), ihm einen Abend in der Philharmonie des Großherzogtums zu widmen.

Luxemburg. (gkl) Pärt gehört zu den Komponisten der Gegenwart, die tiefe Spuren hinterlassen haben und immer noch neue legen. Wenn Pärt ein neues Werk vorlegt, horcht die Musikwelt auf, wird neugierig. Nach 37 Jahren hat er sich auf Wunsch des Philharmonischen Orchesters Los Angeles noch einmal der symphonischen Musik zugewandt, hat seine vierte Sinfonie geschrieben. Gewidmet hat er sie dem Ex-Milliardär "Michail Chordorkowski und allen in Russland rechtlos gefangen gehaltenen Menschen." Das ist bei Pärt eine neue Dimension, denn erstmals verbindet er damit ein eigenes Werk mit einer politischen Aussage.

Laute und massive Klänge erwartete man in Luxemburg nahezu vergeblich. Die SEL gestaltete unter der Leitung von Roman Kofman einen Abend, der ein aufmerksames Zuhören erforderte - auch wenn auf den ersten Blick die Besetzung der Sinfonie mit ihrem umfangreichen Schlagwerk (gespielt von Mitgliedern der Kremerata Baltica) etwas anderes vermuten ließ. Die drei miteinander verbundenen Sätze hatten etwas Sphärenhaftes, etwas Unwirkliches, das in zweifacher Hinsicht Programm war. Zum einen hat Pärt die Sinfonie mit dem Titel "Los Angeles", also "Die Engel" überschrieben, zum anderen bezeichnet er sie als eine Brieftaube, von der er hoffe, dass sie eines Tages bei den Gefangenen in Sibirien ankommen werde. Und in der Tat hatte man den Eindruck, dass das Zarte und Zerbrechliche, die guten Wünsche und die Hochachtung, die Pärt vor den Geknechteten ausdrücken will, von der Macht und dem Unrecht zwar manchmal gestört, nicht aber unterdrückt werden konnten. Mit den SEL hat Pärt in Luxemburg beachtliche Verwalter seiner Botschaft gefunden, die sich mit viel Ausdruck und Engagement seiner Botschaft annahmen.

Steigerung nach dem ersten Teil



Gleiches galt für den ersten Teil des Konzertes, in dem Pärts vielleicht berühmtestes Werk "Fratres" in der Fassung von 1992 und die Serenade für Violine, Streicher, Harfe und Schlagwerk von Leonard Bernstein auf dem Programm standen. Den Solopart hatte niemand geringerer als Gidon Kremer übernommen. Allerdings hakte der erste Teil ein wenig. Fratres konnte, obwohl überzeugend gespielt, in der Philharmonie nicht die Wirkung erzielen, die man von dem Werk kennt. Die Musik verlor sich im Raum, konnte keine Intensität entwickeln. Bernsteins Opus aus dem Jahre 1954 wirkte ein wenig wie ein Fremdkörper. Im ersten Teil gab es herzlichen, am Ende begeisterten Applaus von rund 1000 Besuchern.

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