Eine Kathedrale aus Musik

Vier Teile des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach bescherte das Mosel Musikfestival den Klassikfreunden zum Weihnachtsfest. Über 1000 Zuhörer erlebten in der ehemaligen Trierer Abteikirche St. Maximin ein Konzert der Extraklasse.

Trier. "Tod, Teufel, Sünd' und Hölle, sind ganz und gar geschwächt." Diese Zeile aus dem Schluss-Choral des Weihnachtsoratoriums, BWV 248, von Johann Sebastian Bach erklangen wie ein Fanal im Konzert des Mosel Musikfestivals in der ehemaligen Reichsabtei St. Maximin. Es war gleichsam die Zusage, dass durch die Geburt Christi die Befreiung der Menschheit manifestiert ist, auch wenn der Karfreitag und das Osterfest erst noch kommen müssen.

Tiefgründiges Credo



Was Christoph Spering zusammen mit dem Chorus Musicus Köln und dem Ensemble "Das neue Orchester" hier gelang, war ein tiefgründiges Credo, wie man es selten erlebt. Das WO, wie das Weihnachtsoratorium in Musikerkreisen kurz genannt wird, hat man in Trier schon häufig hören können. Aber so eine tiefe religiöse und musikalische Ausdeutung hat ihren Seltenheitswert. Da mochte man zurecht bedauern, dass die Teile zwei und vier in der Aufführung fehlten. Spering schaffte es auf den Punkt genau, die Spannung zwischen der Freude über die Geburt Christi und dem Wissen um sein Ende zu erzeugen, sie bis zum Ende zu halten. Weihnachten macht ohne Ostern keinen Sinn. Die Ensembles bauten eine Kathedrale aus Klängen, eine lebendige, musikalische Kirche, deren Säulen und Wände, deren Altar und Kanzel aus prachtvoller, nachdenklicher, himmelstürmender und doch erdverbundener Musik bestand. Spering zelebrierte die vier ausgewählten Kantaten Bachs, er zeichnete mit seinem Dirigat große Bilder, reichte mit fast zärtlichen Gesten die Klänge von Chor und Orchester weiter an die über 1000 Zuhörer.

Absolut verlässlich agierten die beiden Ensembles, mit spannungsgeladener Dynamik, mit präziser Virtuosität, wo sie gefragt war, schlicht mit all dem, was dieses große Werk so reizvoll, so ansprechend und so restlos überzeugend macht. Ein besonderes Kompliment muss man hier den Bläsern aussprechen, die mit ihrem Spiel technische Meisterleistungen vollbrachten.

Wesentlichen Anteil am Erfolg hatten auch die Solisten, angeführt vom Tenor Andreas Karasiak, der kurzfristig für den erkrankten Thomas Jakobs eingesprungen war. Schlicht, aber gerade deshalb aussagekräftig deklamierte er in seiner Rolle als Evangelist, mit betörender Sicherheit gestaltete er seine Arien. Schlank und strahlend stand ihm die Sopranistin Olga Pasichnyk zur Seite, die ihren Partien ein vornehmes, edles Klanggewand verlieh. Einen in dieser Form selten zu erlebenden Blick auf Maria vermittelte die Altistin Franziska Gottwald, die diese Rolle mit Wärme ausfüllte. Dem Timbre ihrer Stimme konnte sich niemand verschließen. Mit einer ebenfalls exzellenten Stimme, die aber leider nicht ganz so perfekt in dieses Quartett passte, präsentierte sich der Bassist Stephan Genz, der seine Arien zu breit, zu massiv anging. St. Maximin ist bekanntermaßen für diese Art der Musik ein akustisch heikles Pflaster, bei dem besonders in den hinteren Reihen die Verständlichkeit zu leiden hat. Dank der klaren, fast durchsichtigen Interpretation und Spielweise war hier nichts davon zu merken. Das Terzett "Ach, wann wird die Zeit erscheinen" etwa erreichte in absoluter Verständlichkeit selbst die letzte Reihe.

Jubelnder, von vielen Bravos begleiteter Applaus beendete dieses Konzert, von dem man getrost sagen darf, dass es ein ganz besonderes Erlebnis war.