Eine kommt, einer geht

Eine reizvolle Begegnung mit der Barock-Oper bietet die Premiere von "Dardanus" im Theater Trier. Aber der Sonntag bringt noch zwei weitere besondere Ereignisse: Den Abschied von Kapellmeister Franz Brochhagen und die erste Opern-Hauptrolle der Sopranistin Adréana Kraschewski.

 Wollen das Trierer Publikum mit Barock-Wohlklang verwöhnen: Adréana Kraschewski und Franz Brochhagen. Foto: Theater Trier/Richard Krings

Wollen das Trierer Publikum mit Barock-Wohlklang verwöhnen: Adréana Kraschewski und Franz Brochhagen. Foto: Theater Trier/Richard Krings

Trier. "Im Grunde bin ich auf Montage hier". Franz Brochhagen nimmt seine ungewohnte Rolle mit Humor. Vier Jahre hat er als erster Kapellmeister am Trierer Theater gearbeitet, Produktionen wie "Cusanus" und "Alcina" herausgebracht. Seit Februar lehrt der 44-Jährige an der Musikhochschule Dresden.Dass er für ein paar Wochen das stressige Pendeln zwischen Elbe und Mosel auf sich genommen hat, hängt damit zusammen, dass die letzte Opern-Produktion der Trierer Spielzeit einem Genre entstammt, dem seine besondere Liebe gehört: der Barock-Oper. Das Musiktheater des 17. und 18. Jahrhunderts hat in den letzten Jahren eine große Renaissance erlebt. "Verdientermaßen", sagt Brochhagen und schwärmt von der "Farbigkeit und Vielfalt dieser Musik", die lange unter der statischen und langatmigen Wiedergabe durch frühere Dirigentengenerationen gelitten habe.Bei der Sopranistin Adréana Kraschewski, die in Trier die Hauptrolle des "Iphise" übernimmt, rennt er offene Türen ein. "Leidenschaft und Emotionen" steckten in der Musik von Jean-Philippe Rameau, sagt die junge Sängerin, nicht ohne einzuschränken: "Das erschließt sich nicht, wenn die Noten einfach runtergespielt werden".Dass Brochhagen und Kraschewski in Trier zusammengetroffen sind, war quasi ein "Last-Minute-Kontakt". Die letzte Trierer Arbeit des Dirigenten ist die erste große Opern-Produktion der gebürtigen Ulmerin an ihrem neuen Stammhaus. Zu Saisonbeginn kam sie vom renommierten Züricher Opernstudio in ihr erstes festes Engagement - und machte gleich mit ihren Auftritten bei der Grundheber-Gala und im "Bettelstudent" mächtig auf sich aufmerksam.Man traut ihr offensichtlich Großes zu: Nach der Dardanus-Hauptrolle folgt die "Königin der Nacht" in der Kinder-"Zauberflöte", nächste Spielzeit kommen die Antonia in "Hoffmanns Erzählungen" und die Belcanto-Traumpartie der "Lucia di Lammermoor". Große Rollen gleich in den ersten Spielzeiten

Tragende Rollen, mit unterschiedlichen Ansprüchen an die Stimme. An großen Häusern würde man vier Spezialistinnen engagieren. Kein Problem für Adréana Kraschewski, die sich als "eher robusten Typ" einstuft - so wie sie es sagt, meint sie nicht nur die Stimmbänder. An Professionalität fehlt es ihr ohnehin nicht, wie man an ihrer Homepage www.kraschewski-sopran.de ablesen kann, die ihrer Protagonistin an Ansehnlichkeit um nichts nachsteht.Vielleicht ist deshalb der "Realitätsschock" beim Wechsel vom Hochschul-Biotop in die Tretmühle des Theater-Alltags ausgeblieben. Die Sängerin hat schon studienbegleitend Oper und Liedgesang in der Praxis erprobt - vor allem Letzteres kommt ihr jetzt im Umgang mit der filigranen, besondere Stilistik erfordernden Barock-Musik zugute. "Es macht mir Spaß", sagt sie entschieden.Franz Brochhagen ist mit seinem entgegengesetzten Weg nicht weniger zufrieden. Mehrfach ist er an GMD-Berufungen nur knapp gescheitert, aber die Hochschul-Karriere empfindet er nicht als Ersatz. Zumal er in Dresden als Leiter der Opernschule weiterhin Opern produziert - und nicht nur als Hochschul-Projekte. Im Spätherbst bringt er Monteverdis "Poppea" heraus. Wieder Barock, aber ein Jahrhundert älter als Rameau, den er für einen Komponisten hält, "dessen Wiederentdeckung überfällig war". Adréana Kraschewski hält nicht nur Rameaus Musik für zeitgemäß, sondern auch die innere Handlung von Dardanus. Zwar geht es äußerlich um Kriege, Mythen, Götter und Ungeheuer - Themen, die uns heute recht fern erscheinen. Aber die Konflikte der Figuren um Liebe, Treue, Unsicherheit, Verrat empfindet die Sängerin als "hochaktuell und hochmodern". Dass das Regie-Konzept von Wolf Widder nicht auf das Spektakel, sondern auf die Psychologie der handelnden Personen zielt, kommt ihrer Vorstellung nachhaltig entgegen.Gemeinsam hoffen Kraschewski und Brochhagen, dass sich auch beim Trierer Publikum die andernorts längst spürbare Begeisterung für die Barock-Oper breit macht.Premiere: 6. April, 19 Uhr. Mit Eric Rieger, Evelyn Czesla, Andreas Scheel, Laszlo Lukacs, Pavel Czekala u. a.

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