Eine kurze Nacht der fünf Tenöre

Ein Gala-Abend ist etwas Besonderes. Für einen solchen Abend muss man schon etwas investieren, wenn man ihn erleben möchte. Man sollte dann aber auch die Gewissheit haben, dass es ein stimmiges Preis/Leistungsverhältnis gibt. Davon war die Nacht der fünf Tenöre in der Trierer Europahalle weit entfernt.

Trier. (gkl) Domingo, Pavarotti und Carreras haben damit begonnen. Sie waren "Die drei Tenöre" und haben mit ihrem Können die Welt begeistert. Inzwischen haben sich viele auf das Trittbrett dieses Zuges gestellt, wollten von dem Kuchen ihr Stück abhaben. Geradezu inflationär sind die Konzertangebote, in denen Tenöre im Quintett, als Zehnerpack oder gleich im Dutzend auftreten. Natürlich sind es immer Stars, die sich da auf die Bühne stellen. Sänger, die allesamt mit Engagements an weltberühmten Bühnen aufwarten können. In der Trierer Europahalle konnte man jetzt auch einen solchen Abend erleben. Nein, es war gleich eine ganze Nacht, die angeboten wurde. Gestaltet wurde sie von Guiliano di Filippo, Orfeo Zanetti, Vincenzo Sanso, Stoyan Daskalov und Luigi Frattola, zusammen mit dem Symphonieorchester der Staatsoper Plovdiv, unter der Leitung von Nayden Todorov.Ein großes Aufgebot also, zu dem man auch die Moderatorin Andrea Hörkens zählen muss. Das ganze hat seinen Preis. Ein Mini-Jobber, der mit seiner Ehefrau diese "Gala-Vorstellung" (O-Ton Hörkens) besuchen wollte, musste schon ein Viertel seines Monatsverdienstes für zwei Karten in der besten Kategorie hinblättern. Was bekam er dafür geboten? Um es auf den Punkt zu bringen: eine Unverschämtheit. Schon der Auftakt des Abends, die Ouvertüre zum Barbier von Sevilla aus der Feder von Gioachino Rossini, ließ ahnen, welche Qualität die bulgarischen Musiker zu bieten gedachten. Zusammenspiel wäre für das Konzert eine wünschenswerte Angelegenheit gewesen, ebenso wie eine saubere Intonation, sollte aber Wunschdenken bleiben. Es folgten Arien quer durch die italienische Opernwelt: "Questa o quella" aus Giuseppe Verdis Rigoletto und "Addio fiorito" aus Giacomo Puccinis Madame Butterfly waren vertreten und auch das Morgenständchen "Mattinata" aus Leoncavallo Ruggieros Bajazzo. Das Ganze war durchsetzt mit napolitanischen Canzonen. Was allerdings in diesem italienischen Programm das "Ave Maria" des Deutschen Franz Schubert und das Weihnachtslied "O Tannenbaum" sowie der Radetzkymarsch als Auftakt zum zweiten Teil des Abends zu suchen hatten, blieb schleierhaft.Als perfekte und leidenschaftliche Solisten werden die fünf Sänger von der veranstaltenden Konzertagentur angepriesen. Insbesondere die Perfektion aber musste man über weite Strecken suchen, ohne dass man sie finden konnte. Knödelige Stimmen, die sich oft weder mit dem Orchester noch mit den Gesangspartnern auf eine gemeinsame Tonhöhe einigen konnten und an manchen Stellen froh über die barmherzige Lautsprecheranlage waren, prägten das Bild. Getoppt wurde das Ganze nur noch durch Hörkens, die sich unter anderem mit dem "Ave Maria" von Charles Gounod einbrachte. Wenn das Hinterrad eines Autos ein Vibrato hätte wie die Stimme von Hörkens, würde man dringend den Einbau neuer Stoßdämpfer empfehlen. Es war gut, dass die "Nacht" nur etwas mehr als zwei Stunden dauerte, und es war verständlich, dass viele Stühle leer blieben. Manchem Besucher hat die "Nacht" gefallen, es sei ihm gegönnt.

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