Eine Musik zwischen den Zeiten

Trier · Vocalconsort Leipzig in der Trierer Liebfrauenkirche.

 Chormusik im der sonnenhellen Trierer Liebfrauenkirche. Das Vocalconsort Leipzig unter Gregor Meyer. TV-Foto: Martin Möller

Chormusik im der sonnenhellen Trierer Liebfrauenkirche. Das Vocalconsort Leipzig unter Gregor Meyer. TV-Foto: Martin Möller

Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Trier Es war wie eine Zeitreise. Eine Messkomposition, die zu den Höhepunkten der Renaissancemusik zählt, und dann ein Werk, das Vergangenheit und Gegenwart faszinierend und manchmal erschreckend zusammenbringt. Palestrina und Frank Martin - welch eine Verbindung aus Meditation und Aufschrei! Da greift ein Komponist des 20. Jahrhunderts den A-cappella-Stil der Renaissance auf und schmilzt ihn ein in seine eigene Verfahrensweise.
Palestrinas berühmte Messe auf den Papst Marcellus ist für Interpreten ein Balanceakt. Ein harter Zugriff, scharfe Akzente, abrupte Laut-Leise-Kontraste würden das Werk zur Karikatur verzeichnen. Aber es darf auch nicht sozusagen "in Schönheit sterben."
Das Vocalconsort Leipzig und Leiter Gregor Meyer indessen wahrten in der Trierer Liebfrauenkirche die heikle Balance. Sie gaben Palestrina genau den fließenden Duktus mit, der diese Komposition auszeichnet. Und dann die doppelchörige Messe von Frank Martin. Der Schweizer Komponist hat seine eigene Schreibweise aus dem historischen A-cappella-Stil heraus entwickelt und dazu all das eingebracht, was am 20. Jahrhundert bestürzt und erschreckt. Es ist eine Musik zwischen den Zeiten - altertümlich und modern zugleich. Im "Christe Eleison" steigt der Sopran in höchste Höhen, ein fast expressionistisch drastischer Aufschrei.
Beim "Qui tollis"-Abschnitt im Gloria verstecken sich die Stimmen in tiefster Lage. Und das Sanctus beeindruckt nicht nur durch seinen sehr sinnfälligen, gebetsähnlich kreiselnden Verlauf, sondern auch durch die Intensität, mit der die Musik Gott in all seiner Größe anruft.
Aber ganz gleich, ob sich die Musik gleichsam in sich selber zurückzieht oder emphatisch ausbricht - das Leipziger Vocalconsort bewältigt die Vielschichtigkeit dieser Komposition.
Nur wenige komplexe Passagen geraten undeutlich und diffus. Der ruhige Pulsschlag der Musik, der schon die Palestrina-Interpretation prägte, ist auch bei Frank Martin präsent.
Da klingt etwas Vertrautes mit, von dem sich die modernen, expressiven Elemente deutlich und manchmal drastisch abheben. Aber gerade das verleiht dieser Messe ihre bestürzende Aktualität. Die Besucher der fast vollbesetzten Liebfrauenkirche applaudierten stehend und mit großer Begeisterung.

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