Einen Elefanten geerbt

ECHTERNACH. Ein großzügiges Kulturzentrum mit Foyer, zwei Sälen, zahlreichen Nebenräumen mitten in der alten Abteistadt und direkt gegenüber der Basilika. Das klingt eindrucksvoll. Trotzdem ist niemand mit dem Vorhaben ganz glücklich.

Eigentlich hätte der Echternacher Bürgermeister Jos Scheuer Grund, stolz zu sein. Mitten im historischen Stadtkern entsteht ein großzügiges, ja üppiges Kulturzentrum. Es gehört dann zu einem einzigartigen Ensemble von Kulturbauten: Basilika, Kirche St. Peter und Paul, Orangerie, Spiegelsaal. Hinzu kommt: Ein Kulturzentrum hat in der Kleinstadt an der Sauer zweifellos Sinn. Es finden hochkarätige Festspiele statt, deren Veranstaltungen teils aus akustischen, teils aus religiösen Gründen nicht immer in den Kirchen ablaufen können. Echternach betreibt eine hervorragende Musikschule mit rund 1000 Schülern und pflegt zudem Musikvereine wie die "Harmonie Municipale". Grund genug also für ambitionierte Pläne. Zwei davon verschwanden aus unterschiedlichen Gründen wieder in der Schublade. Projekt Nummer drei wird endlich umgesetzt; die Handwerker sind schon fleißig am Rohbau. Spätestens Anfang 2007 soll es fertig sein. Dann steht gegenüber der Basilika ein repräsentatives Gebäude, das sich trotzdem nicht ungebührlich breit macht und ins Ambiente passt. Dieser Eindruck zeichnet sich jetzt schon ab. Auch wenn nicht alle Details geklärt sind - innen soll alles vom Feinsten sein. Architekt Marcel Niederweis hat großzügig geplant: Durch ein Licht durchflutetes Foyer erreicht der Besucher einen Konzert- und Kongresssaal mit 650 Plätzen. Für dessen akustische Einrichtung wurde das Kölner Büro Graner engagiert, das in den 80er Jahren an der Philharmonie in der Domstadt mitarbeitete. Für eine ausgefeilte, steuerbare Akustik wird also gesorgt. Der Saal gleicht dem Metzer Arsenal mit nach hinten ansteigenden Zuschauerreihen. Das ist optisch wie akustisch günstig, schränkt allerdings die Nutzung außerhalb von Konzerten und Kongressen ein, weil es keine ebene Fläche gibt. Deswegen wird im Kulturzentrum ein zweiter, universell nutzbarer Saal eingerichtet. Hinzu kommen neben den üblichen Künstlerzimmern zahlreiche Räume fürs Proben, Unterrichten, und zum Üben für die Schüler. Und die beiden Foyer-Etagen können zum Forum für Ausstellungen werden. So weit, so gut. Wenn es allerdings um Finanzierung, Organisation und Folgekosten geht, sinkt die Stimmung des Echternacher Bürgermeisters deutlich. Das aktuelle Projekt war von parteipolitisch motivierten Querelen begleitet und litt zudem unter den Machtwechseln, die in Demokratien üblich sind. So fand sich Jos Scheuer 1994 in der Opposition wieder und wurde eine Legislaturperiode später vom Wähler erneut in die Bürgermeister-Funktion eingesetzt. In der Zwischenzeit fielen zu Bau und Baukosten Entscheidungen, zu denen er deutlich Distanz bekundet: Er habe einen Elefanten geerbt, sagt er. Jedenfalls stiegen die Aufwendungen rapide von ursprünglich 13,5 Millionen Euro auf rund 25 Millionen Euro, und es bedurfte einiger Polit-Tricks, um den Staat zu einer Beteiligung von gut zwölf Millionen Euro zu veranlassen. Nun sitzt die Stadt Echternach auf immerhin 52 Prozent der Baukosten, und die Verwaltung denkt angestrengt nach, wie sich die finanziellen Folgen auffangen lassen. Dass Echternach, ganz luxemburgisch-unüblich, Kredite aufnehmen muss, versteht sich.Von jenseits der Grenze wenig zu erwarten

Ob sich der Aufwand jemals amortisiert, ist ungeklärt. Ein Betreiber wurde noch nicht gefunden. Der luxemburgische Staat hält sich bislang aus der Folgekosten-Diskussion heraus. Und von den deutschen Kommunen jenseits der Grenze ist ohnehin nichts zu erwarten. Dort regieren Defizit und Personalmangel. Dass andererseits eine 5000-Einwohner-Stadt wie Echternach nicht gerade über die Ressourcen einer Kulturmetropole verfügt, versteht sich. Um so dringlicher wird ein Gesamtkonzept, das Nutzung, Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung und Finanzierung einschließt. Und schließlich appelliert Bürgermeister Scheuer auch an die Politiker der Großregion. Dass sich die deutsche Kulturpolitik für ein luxemburgisches Zentrum interessieren soll, von dem auch die Deutschen in großer Zahl profitieren, ist als Idee zwar ungewöhnlich, aber keineswegs absurd.

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